Als Landrat im Anflug auf Tokio?

DOSB-Präsident Hörmann als CSU-Kandidat im Landkreis Oberallgäu im Gespräch

Berlin, 19.Juli. Vom Präsidenten des Deutschen Olympischen Sportbundes (DOSB), Alfons Hörmann, hat man seit seiner Wiederwahl im Dezember 2018 relativ wenig gehört. Das liegt vor allem daran, dass man sich mit der Sportabteilung im Bundesinnenministerium nicht mehr in der Öffentlichkeit streitet, sondern zur Küchenkabinetts-Diplomatie zurückgefunden hat. Und eventuell hat den Sportfunktionär offensichtlich etwas anderes beschäftigt. Eine kommunalpolitische Karriere, die ja der Anfang für mehr sein könnte. Denn: Die CSU Oberallgäu macht in der lokalen Presse Schlagzeilen mit dem Vorschlag, ihr Mitglied Alfons Hörmann für die Landratswahl 2020 kandidieren zu lassen.

Die Nachricht drang bis nach Berlin und anderswo per Telefon oder Mail: „Weißt Du schon, der Hörmann will Landrat werden.“

Was? Fake news? Die Meldung gab es doch schon mal? Nee, es stimmt. Die CSU will ihren Kandidaten am 1. August bei einer Delegiertenkonferenz offiziell nominieren. Und Hörmann gilt als aussichtsreicher Kandidat, nicht nur, weil einige Wettbewerber schon zurückgezogen haben, mit denen eine Findungskommission Gespräche führte.

Einer unter anderen

Also nun ein Wechsel vom sportpolitischen aufs kommunalpolitische Parkett? Oder beides? Und überhaupt: Hat Hörmann schon „Ja“ gesagt? Auf Anfrage bei der DOSB-Pressestelle, ob das nun ein ernstes Bemühen der Beteiligten ist, kam am Freitag folgende Antwort: „Im Landkreis Oberallgäu gibt es aktuell eine Diskussion zu verschiedenen möglichen Kandidaten für das Amt des künftigen Landrats. Darunter befindet sich auch der Name Alfons Hörmann. Zeitpunkt und Inhalt möglicher Entscheidungen sind derzeit noch nicht absehbar.“

Vor Ort scheint man schon weiter zu sein als beim DOSB, und es wird ja auch zeitlich eng: Wenn am 1. August die Entscheidung fallen soll, wer ins Rennen geht, dann bleiben nur noch wenige Tage.

Wie es dazu überhaupt kam, dass er nun im Kandidatenkreis ist, erklärt Hörmann in seinem Heimatblatt, der „Allgäuer Zeitung“, wie folgt: „In den vergangenen Wochen sind mit zunehmender Intensität Mitglieder aus dem CSU-Kreisvorstand, aber auch mehrere  Mandatsträger und Bürger an mich herangetreten“, sagt er. Und: „Das war für mich überraschend, weil ich nach dem Ausscheiden aus dem Kreistag vor sechs Jahren keinerlei aktive politische Rolle mehr inne hatte.“

Schon in der Kommunalpolitik

Hörmann ist denen, die ihn bundesweit kennen, nur als Sportfunktionär bekannt: Er war Präsident des Allgäuer, Bayerischen und Deutschen Skiverbandes und ist jetzt eben DOSB-Präsident. Er hat auf internationaler Sportplattform noch Ämter inne. Aber gleichzeitig war er immer für die CSU im Einsatz: Als Fraktionsvorsitzender, stellvertretender Bürgermeister, Gemeinde- und Kreisrat. Er sei ein ausgezeichneter Netzwerker schreibt die „Augsburger Allgemeine“. Also einer, der jeden kennt und weiß, wo und bei wem er aufschlagen muss, wenn er etwas erreichen will. Was politische Gegner dann eher als Amigo-Seilschaft sehen.

Wie dem auch sei: Viele in seiner Heimat sehen den Mann, der in Kempten geboren ist und in Sulzberg wohnt, als einen der ihren, eben den „Alfons“ und nicht den „Herrn Hörmann“. Und seit nun die Nordische Ski-Weltmeisterschaft für 2021 nach Oberstdorf , in ihren Landkreis geholt worden ist, seit Bund und Land kräftig Euros zubuttern, ist sein Ansehen noch mehr gestiegen. Nur wegen Alfons Hörmann habe man das geschafft, wird schon mal an der Legende gestrickt.

Deshalb ist der ehemalige Landrat Gebhard Kaiser überzeugt, dass Hörmann ein geeigneter Kandidat ist. „Ich bin sicher, dass Alfons Hörmann die Bürgerinnen und Bürger von seiner Person überzeugen kann und dass er bei einer erfolgreichen Wahl eine sehr, sehr gute Arbeit für unsere Region leistet.“

Beide Ämter

Was heißt das dann aber für sein DOSB-Präsidentenamt? Gibt er das ab? Die DOSB-Antwort auf diese Frage lautet. „Betroffen wäre ggf. nur die berufliche Position, da das Amt des Landrats ein Hauptamt ist.“

Wer im Landratsamt Oberallgäu in Sonthofen nachfragt, der kann sich schon vorstellen, dass ein Landrat da eine Menge zu tun hat. 155 255 (Stand 2018) Einwohner sind da zufriedenzustellen, 28 Gemeinden und zwei Verwaltungsgemeinschaften sind in diesem südlichsten Landkreis Deutschlands zu betreuen. Der Kreis lebt mit zehn Naturschutzgebieten und 23 Landschaftsschutzgebieten vom Tourismus, was für politische Mandatsträger manchmal zu einer schwierigen Aufgabe werden kann, wenn sie Forderungen des „Fremdenverkehrs“ mit denen von Landwirten und vor allem Naturschützern unter einen Hut bringen müssen. Die Kunst des Kompromisses ist gefragt.

In dieser Kunst hat sich Alfons Hörmann zumindest auf dem sportpolitischen Parkett bisher nicht besonders hervorgetan. Ganz im Gegenteil: Stil und Auftreten waren häufig Grund heftiger Kritik. Während ihm ehemalige Kreistags-Kollegen von den Grünen zum Beispiel einen „fairen kollegialen Umgang“ bestätigen“, würden viele, die im Sport, aber auch in der Bundespolitik mit ihm zu tun haben, das so nicht unterschreiben.

Falls er nun tatsächlich Landrat werden wollen würde, müsste er auf das Amt des DOSB-Präsidenten verzichten, sagen auf Nachfrage Menschen aus Sport und Politik. Warum? Max Deisenhofer, sportpolitischer Sprecher der Grünen im Bayerischen Landtag, formuliert das so: „Das wäre aus unserer Sicht schon problematisch, nicht nur aus zeitlichen Gründen. Denken Sie an die Nordische Ski-WM in Oberstdorf. Da würde man sich ständig die Frage stellen: Wer entscheidet da: der DOSB-Präsident oder der Landrat?“

Kein Verbot

In den Satzungen der Sportverbände, aber auch des DOSB gibt es kein „Ve rbot“, gleichzeitig in der Politik und im Sport Ämter auszuüben. Und es gibt genügend Beispiele aus Vergangenheit und Gegenwart, dass Amtsträger gleichzeitig SportfunktionärInnen waren und sind. Man braucht sich nur im Sportausschuss des Bundestages bei den Koalitionsfraktionen umzusehen. Oder bei Verbandspräsidenten: Etwa in der Leichtathletik, wo Jürgen Kessing gleichzeitig Oberbürgermeister von Bietigheim-Bissingen ist oder Handballpräsident Andreas Michelmann seit 1994 Oberbürgermeister von Aschersleben in Sachsen-Anhalt ist. Der derzeitige DOSB-Vizepräsident Andreas Silbersack kandidiert für das Oberbürgermeisteramt in Halle als gemeinsamer Kandidat von CDU und FDP. Er musste sich Kritik gefallen lassen, dass er zu wenig vor Ort sei und viele stellen die Frage, ob er im Fall seiner Wahl das Vizeamt aufgeben wird. Denn beides gehe nicht, wie sich derzeit zeige.

„Bei einer Übernahme ‚lokaler‘ politischer Ämter sehe ich zumindest weniger potenzielle Interessenkonflikte – klar kann es die auch geben – als zeitliche Probleme, beides miteinander zu vereinen, ohne dass ein Amt zwangsläufig vernachlässigt wird“, sagt ein langjähriger juristischer Kenner des Sports.

Das Amt des Landrats ist ein Hauptamt. Das heißt, dass Hörmann sich auch beruflich neu sortieren müsste. Derzeit ist er bei der Schöck-Gruppe tätig. Beruflich lief bei dem 58-Jährigen nicht alles rund: 2015 musste er einen Bußgeldbescheid von 150 000 Euro bezahlen, den die Generalstaatsanwaltschaft Düsseldorf verhängte. Sein damaliger Arbeitgeber, die Creaton AG war nach umfangreichen Ermittlungen des Kartellamtes wegen illegaler Preisabsprachen zu einem Bußgeld in Höhe von 39,9 Millionen Euro verurteilt worden.

Mit Ärger endete auch ein anderes Arbeitsverhältnis: Weil aus Sicht seines Arbeitgebers der DOSB-Präsident  u.a. zu selten an seinem Arbeitsplatz war, kündigte ihm sein damaliger Arbeitgeber. Es kam deshalb zum Rechtsstreit zwischen Hörmann und der gleichnamigen Unternehmensgruppe Hörmann, der dann aber außergerichtlich und einvernehmlich, wie es in der offiziellen Pressemitteilung des Unternehmens aus Kirchseeson damals hieß, beigelegt worden sei.

Wahlkampf

Wenn es nun also dazu käme, dass Alfons Hörmann tatsächlich als Landrat kandidieren würde, dann ist der Zeitpunkt interessant. Denn, so sagen Kommunalpolitiker, dann müsse er ja auch Wahlkampf machen. „Da ist er gefordert – mehr noch als nach der Wahl. Als Amtsinhaber kann man ja auch mal seinen Vertreter schicken, als Kandidat nicht“. Und: Da habe man keine Zeit für andere Aufgaben, wenn man sie denn richtig machen wolle. 2020 sind bekanntlich die Olympischen Sommerspiele in Tokio. Die finden vom 24. Juli bis 9. August statt. Der Urnengang zur bayerischen Kommunalwahl ist für den 15. März 2020 terminiert.

Vielleicht ist dann der Landrat Alfons Hörmann im Anflug und es landet der DOSB-Präsident im Land der aufgehenden Sonne. Aber gwiss wois ma nix ( Sicher weiß man es nicht)……