Es liegt an uns, was wird

Liebe Leser und Leserinnen,

auch die Hoffnung nach diesem turbulenten und krisengeschüttelten Jahr auf wenigstens ein paar ruhige Weihnachtsfeiertage wurde mit dem schrecklichen Anschlag auf den Weihnachtsmarkt in Magdeburg zerstört. Menschen, die sich einen schönen Abend machen, gemeinsam feiern wollten, werden nie mehr nach Hause kommen, andere liegen schwer verletzt in einem Krankenhaus, und Familien bangen um sie. Mitgefühl, Trost, Unterstützung – hilft vielleicht, aber es ist nichts mehr wie vorher…

Winter in Sanssouci.

Nein, es ist nichts mehr wie vorher: Für die Menschen in der Ukraine, die nun nach dem völkerrechtswidrigen Angriffskrieg Russlands am 24. Februar 2022 im dritten Kriegswinter sind. Für Mütter, Väter, Ehefrauen, Kinder, Familien in der Ukraine – aber auch in Russland – die um ihre Gefallenen und zivilen Kriegsopfer trauern, ist nichts mehr, wie es war: Es bleiben leere Plätze am Festtagstisch, weil ein skrupelloser und größenwahnsinniger Autokrat seine Machtphantasien auslebt.

Nichts mehr ist wie früher auch für die Familien in Israel, die nach dem Überfall der Terrororganisation Hamas am 7. Oktober 2023, noch immer um Angehörige bangen, die als Geiseln verschleppt wurden. Der Terrorangriff brachte für die unbeteiligten Menschen im Gazastreifen, in Palästina, den Libanon Krieg. Sie sind Opfer gewalttätiger Machtspiele gewissenloser Täter, die auch im Iran und anderswo sitzen.

Und dann ist ab 20. Januar offiziell Donald Trump im Weißen Haus back! Eine Freundin, die seit 40 Jahren in den USA und in der Nähe von Sacramento in Kalifornien lebt, schrieb mir gestern: „Ich schaue seit der Wahl so gut wie keine Nachrichten mehr – das treibt meinen Blutdruck nämlich auch ohne Joggen in gefährliche Höhen. Und das Horrorkabinett verheißt auch nichts Gutes.“

Bei so viel Tristesse, die durch viele klimabedingte Katastrophen verstärkt wurde, dann doch noch ein politischer Silberstreif? Der syrische Diktator Baschar al-Assad floh mit seiner Kern-Familie aus dem Land, über das er seit 2000 als brutaler Diktator herrschte. Nach 13 Jahren Bürgerkrieg beendeten aufständische Truppen die Herrschaft des von Russland unterstützten Massenmörders. Ob Syrien auf dem Weg in eine freie Gesellschaft ist, bleibt abzuwarten.

Und hier zuhause?! Nach ewigen Streitereien kam eher wenig überraschend, aber ziemlich spooky das Ampel-Aus. Wahlkampf muten uns die PolitikerInnen im Weihnachtsstress zu – schöne Bescherung für die Bürger und Bürgerinnen. Da hätten wir alle drauf verzichten können, wenn…ja, wenn nicht soviel herumgemurkst, so wenig kommuniziert und erklärt worden wäre… Es nervte alle – und dann holte ein angefressener Kanzler die Abrissbirne und sorgte für das Ende der selbsternannten Aufbruchstruppe, die mehr Fortschritt wagen wollte und am Ende auf der Stelle trat.

Was lehrt uns das? Drei sind einer zu viel, und beim Regieren sowieso, weil jeder sich selbst der nächste ist. Aber, wir WählerInnen müssen uns selbst an die Nase fassen: Wir wollten es doch so, oder? Regieren zu Dritt ist schwierig, Kompromiss eher ein Fremdwort. Verstärkt durch Krisen, wird es noch schwieriger. Und noch schlimmer wird alles, wenn die Wähler sich von den Brandstiftern, getarnt als Biedermänner und -frauen der AfD belügen lassen, dass immer nur die Migranten schuld sind, wenn in Deutschland derzeit alles unrund läuft.

Es liegt an uns, wenn wir solche Parteien jahrelang unterschätzen und auch noch wählen.

Es liegt an uns, wenn in den sogenannten sozialen Medien Probleme hochgepuscht und diskutiert werden, die gar keine sind. Gibt es Schwierigkeiten, müssen die vernünftig diskutiert und gelöst werden.

Es liegt an uns, wenn wir nicht erkennen, dass Leistung kein Schimpfwort ist und die Bereitschaft dazu eher Bewunderung denn Kritik auslösen müsste.

Es liegt an uns, wenn wir mutlos zusehen, wie Menschen, die zu uns gehören, nur weil sie anders aussehen, eine andere Religion, Hautfarbe oder Handicap haben, beleidigt oder geschlagen werden.

Es liegt an uns, dieses Land wieder leistungsstark, tolerant und freundlich werden zu lassen, wie es lange war und warum unsere europäischen Nachbarn uns mochten und schätz(t)en.

Das es wieder so wird, dafür müssen wir uns einsetzen und laut sein, die rechts- wie linksradikalen Lautsprecher übertönen: 75 Jahre Bundesrepublik Deutschland und Grundgesetz, 80 Jahre gutes Leben im Frieden sind zu verteidigen.

Wie schön Gemeinschaft, (Gast-) Freundschaft und ein tolerantes Miteinander sein kann, haben die Fußball-Europameisterschaften in Deutschland und die Olympischen und Paralympischen Spiele in Paris gezeigt. Abtauchen in eine Welt, die nicht nur wie in dem Buch von Eric Malpass um 7 Uhr morgens in Ordnung ist, sondern rund um die Uhr…

Bei aller Begeisterung: Auch diese Großveranstaltungen sind halt leider Scheinwelten: Einige Wochen schwebt der trügerische Sport-Geist über die Völker der Welt, der mit körperlichen Hochleistungen, verpackt in Showeffekte, vernebelt, worum es mittlerweile vor allem geht: Um das Geschäft und Milliarden-Gewinne. Schöne Grüße an Monsieur Pierre de Coubertin, der heute mit seinen Jüngern so seine Probleme hätte!

Die deutsche EM war solide, naja, bis auf einige blamable Ausrutscher der Deutschen Bahn, bei der sich offensichtlich zu spät oder gar nicht rumgesprochen hatte, dass mit einer EM auch Fußball-Fans ins Land strömen, die von Spielort zu Spielort transportiert werden wollen. Die Fans nahmen es gelassen – und vor allem die Schotten und Niederländer waren die humorvollen Stimmungsmacher im Lande. 

Wir sind uns einig: Die superben Spiele von Paris sind unnachahmlich – nicht zuletzt wegen der grandiosen Stadtkulisse. Los Angeles wird sich schon deshalb in anderer Art, hollywood- und strand-verwöhnt, präsentieren. Für die Franzosen sind die Spiele, an die sich alle gerne erinnern, allerdings schon wieder weit weg: Der politische Alltag verdrängt dann doch die olympische Leichtigkeit mehr und mehr…

Olympische Leichtigkeit. Die würde man dem Deutschen Olympischen Sportbund (DOSB) wünschen. Aber die geht ihm völlig ab. Eher unbeholfen und unambitioniert tapperte die Dachorganisation in diesem Jahr durch das mangelhaft vorbereitete olympische Bewerbungs-Labor. Je mehr man von den Offiziellen aus Politik und Sport hört und sieht, umso öfter fragt man sich: Wollen die wirklich die Spiele?

Sportpolitisch taumelt der sich gerne feiernde 28 Millionen-Mitgliedschafts-Riese von einer Krise in die nächste – und wird zum Scheinriesen. Auch die neuerliche Idee, den Sport im Kanzleramt ins Team zu holen, wird wohl auch nicht der wirkliche und langfristige Problemlöser für einen erfolgreicheren Weg des Spitzensports sein.

Man sollte sich vielleicht wirklich erst einmal auf sein Kerngeschäft besinnen – den Breitensport. Die Zukunft auch eines erfolgreichen Spitzensports und einer Sportnation Deutschland liegt in den Kitas und Schulen. Und in den Vereinen, wo Eltern auch als gute Sport-Vorbilder unterstützen. Das Land muss endlich wieder in Bewegung kommen – in jeder Hinsicht. Und Bewegung und Sport spart der Gesellschaft viel Geld: Prävention statt Krankenhaus, Bewegung statt Pillen – altbekannte Slogans , die man ja wieder beleben könnte im neuen Jahr…

Nun also sprintet dieses 2024 der Ziellinie entgegen. Nein, ich möchte mich trotz allem nicht über die letzten zwölf Monate nur beklagen: Es hätte ja noch schlimmer kommen können, denke ich. Und bin dankbar für viele wunderbare Momente und Begegnungen, sowohl auf olympischen Boulevards wie auf privaten Wanderwegen.

Für 2025 wünsche ich uns allen, dass es weitere Krisen draußen vor der Tür lässt. Und die alten löst und als Krisenbewältiger Geschichte schreibt.

Ich möchte mich bei Ihnen bedanken, die den sportspitze(n) die Treue gehalten haben. Und neu hinzugekommen sind. Seit Paris habe ich viele Leser und Leserinnen in Frankreich, aber auch in Großbritannien, Irland, Australien, den USA und Kanada hinzugewonnen, was mich sehr stolz macht. Zwar habe ich offiziell aufgehört, aber es reizt mich immer wieder, doch mal wieder meinen Senf zu sport(politischen) Entwicklungen dazuzugeben – trotz anderer Vorsätze.

Nun wünsche ich Ihnen allen ein schönes, friedvolles und fröhliches Weihnachtsfest und für das neue Jahr 365 Tage voll Zuversicht, Glück, Humor und viele wunderbare Augenblicke mit lieben Menschen.

Ihre

Bianka Schreiber-Rietig