Herbert Fischer, die sportpolitische Stimme des Deutschlandfunks, ist tot
Berlin, 7. November. Herbert Fischer, die sportpolitische Stimme des Deutschlandfunks, ist tot. Fast 40 Jahre lang war er derjenige, der seine HörerInnen nicht nur mit Beiträgen vom großen Sport begeisterte, sondern er war auch Anwalt für jene, die nicht so im Rampenlicht standen, und für den Breitensport. Vor allem aber auch schaute er kritisch hinter die Kulissen in Verbänden und Vereinen.
Herbert Fischer war immer in Bewegung. Meist auf den letzten Drücker wurden seine Beiträge fertig, weil er da und dort noch was ändern wollte, mit dem Autor noch mal telefonierte – und dabei die Zeit vergaß. Dann segelte er mit wehendem Schal ins Studio, um seine Sendung punktgenau zu starten.
Seine Berichte und Sendungen hatten immer Tiefgang. Und besonders, wenn es um deutsch-deutsche Geschichte(n) ging, war Herbert, der 1946 in Löbau in Sachsen geboren wurde, der große Erzähler. Anfang der 50-er Jahre war er mit der Familie in den Westen geflohen. Durch seine unzähligen Kontakte auch nach „drüben“ brachte er seinen HörerInnen am Samstag- oder Sonntagabend nicht nur den Sportalltag im Osten oder zwischen Ost und West nahe, sondern auch Probleme des Lebens in einem Land, das durch eine Grenze geteilt war. Die sportpolitischen Mätzchen hüben wie drüben wusste er genau einzuordnen und zu interpretieren.
Als die Mauer 1989 fiel, fuhren wir am 20. November zu einem Termin nach Wernshausen im Kreis Schmalkalden. Dort schrieben zwei kleine Sportvereine – der TSV Freiwald (West) und die BSG Aufbau Wernshausen – Sportgeschichte: Sie waren die ersten, die den freien Sportverkehr umsetzten. Und Herbert Fischer kämpfte am Spielfeldrand mit den Tränen – er konnte kaum glauben, was er da erlebte. Bis zu seinem Ruhestand waren deutsch-deutsche Befindlichkeiten sein Thema.
Aber auch andere Felder beackerte er mit höchstem Einsatz, genauer Recherche. Mit seiner ruhigen, sonoren Stimme brachte er manchen Gesprächspartner aus Politik und Sport ins Schwitzen, weil er sich nicht mit Phrasen oder Allgemeinplätzen abspeisen ließ. Er blieb am Ball, fragte hartnäckig nach, wenn es um Korruption oder Doping ging, wenn Präsidenten ihm wortreich erklären wollten, dass die getroffenen Entscheidungen kein Blödsinn sind – entgegen aller anderen Meinungen. Herbert blieb immer gelassen, ließ sich selbst dann nicht aus der Ruhe bringen, wenn ein Funktionär ihn vor dem Mikrofon laut maßregeln wollte.
Mit Herbert Fischer habe ich viele Veranstaltungen und Termine begleitet. Die Gespräche mit ihm waren immer eine Bereicherung. Und meist sehr lustig. Er war ein wunderbarer Kollege ohne Eitelkeiten und ein empathischer Mensch, der dann da war – im Gegensatz zu vielen anderen in der Journalisten-Blase –, wenn wirklich Land unter war.
Herbert war von langer, schwerer Krankheit gezeichnet, hatte sich den Ruhestand mit seiner Luise, seinen Kindern und Enkelkindern anders vorgestellt. Bei den in den letzten Jahren seltenen Kontakten zwischen Solms und Berlin drehten sich die Gespräche weniger um Sportpolitik als mehr darum, was er so machte – mit den Enkeln Fußball spielen („ist anstrengend“), mit der Familie verreisen, mit Luise das Arbeitszimmer ausmisten, lesen….
Eigentlich wäre der 11. Dezember unser Jour fix – zu Herberts Geburtstag haben wir seit Jahrzehnten telefoniert, um auch sicher zu sein, dass die Geburtstagskarte per Post angekommen ist. Nun wird er nicht mehr fröhlich sagen: „Danke, dass Du an mich gedacht hast.“ Der Dank gilt Dir, lieber Herbert.