Sport, Klima, Krise: Noch viel Luft nach oben

Guter Wille und irrwitzige Ideen sparen noch keine Energie

Berlin, 3.August. Krisenmanager laufen derzeit in der Republik zur Hochform auf: Klimawandel, der Krieg in der Ukraine, die damit verbundene Energiekrise und die neue Coronawelle fordern schnelles und rationales Handeln. Task Forces brüten über Ideen, wie man Energie einsparen kann. Die werden heiß diskutiert – und wieder verworfen, manche Vorschläge muten kurios an, andere vernünftig.

Alle sind betroffen, manche wollen aber nicht diejenigen sein, die von Einsparverordnungen getroffen werden. „Egal zu welcher Entscheidung wir uns momentan durchringen, es gibt immer Kritik“, sagt der Geschäftsleiter der Fichtelgebirgsgemeinde Mehlmeisel, Lothar Huber. Und schildert damit das Dilemma, in dem sich bundesweit Bürgermeister und Kämmerer in Städten und Dörfern derzeit befinden. Der Sport, oft Hätschelkind von Bund und Ländern, wird in Krisenzeiten schnell zur Manövriermasse. Ob Sport systemrelevant ist, wurde während Corona immer wieder diskutiert. Nun wiederholt sich die Diskussion – mit anderen Vorzeichen.

Wärmehalle statt Turnhalle

Der Vorschlag des Hauptgeschäftsführers des Deutschen Städte- und Gemeindebundes, Gerd Landsberg,  der seiner Klientel vor einigen Wochen empfahl, Turnhallen als Wärmehalle einzurichten, wurde heftig kritisiert. Manche KommunalpolitikerInnen nahmen dagegen die Idee gerne auf. Das löste nicht nur Verärgerung bei Sportverantwortlichen aus, sondern auch Kopfschütteln bei aktiven Vereinsmitgliedern, die sich die Frage stellten: Wann waren diejenigen, die das vorschlagen, zum letzten Mal in einer Turnhalle? Die meisten sind sanierungsbedürftig – seit Jahrzehnten schiebt man quer durch die Republik einen Sanierungsstau für (Schul-)Sporthallen vor sich her. „Manchmal, wenn man so eine Halle besucht, hat man das Gefühl, man befinde sich auf einer Zeitreise zurück in die 60-er Jahre“, sagte die Sportausschuss-Sprecherin der SPD, Sabine Poschmann, vor kurzem in einem Gespräch, nachdem sie einige Sportvereine in Nordrhein-Westfalen besucht hatte.

Doch nicht nur da sind Hallen öfter nur mit „mangelhaft“ zu beurteilen. Es zieht wie Hechtsuppe, weil die Fenster schlecht schließen, Scheiben Sprünge haben; Gas- oder Ölheizungen sind überaltert und oft auch schlecht gewartet. „Versuchen Sie mal, eine normale Turnhalle zu einem Wärmehotspot zu machen – da verbrennen Sie das Geld am besten gleich“ sagt ein kommunaler Mitarbeiter in Berlin. „Turnhalle als Wärmehalle – das ist eine Schnapsidee.“

Widerspruch im Handeln

Die Idee stößt auch im deutschen Sport und beim Deutschen Olympischen Sportbund (DOSB) auf Unverständnis. Zumal nun gerade von der Politik nach den Lockdowns auch dem organisierten Sport immer wieder versichert wurde, dass man die Bedeutung von Bewegung – vor allem für Kinder- und Jugendliche – erkannt habe und dass sie unverzichtbar sei. Also müsste man zu dem Schluss kommen: Die Hallen stehen für den Sport trotz Krise zur Verfügung. Oder doch nicht? „Was heißt das denn dann für uns? Hallen können von Vereinen nicht genutzt werden,weil sie als Aufwärmräume gebraucht werden? Oder Hallen werden nicht beheizt – und auch dann kann kein Sport stattfinden. Irgendwas passt da überhaupt nicht zusammen“, sagt nicht nur Christian Siegel, Ressortleiter Sportstätten, Umwelt, Nachhaltigkeit im DOSB.

Bäder zu – für immer?

Die Turnhallenproblematik ist das eine. Dann sind da noch die Schwimmbäder, wo sich in den letzten Wochen die Schlagzeilen überschlugen. Der Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städtetages,  Helmut Dedy, brachte mit seinen „Empfehlungen“ den organisierten Sport zur Weißglut. Bäder dicht machen sei angesichts der seit Jahrzehnten andauernden Schwimmmisere – immer weniger Kinder können schwimmen – nicht zu akzeptieren, meint nicht nur der DOSB, sondern auch die Bäderallianz. Manche im Sport befürchten, dass diese Vorschläge der einen oder anderen Kommune gerade recht kommen, um dann kostenträchtige Bäder oder Hallen für immer zu schließen. Mal abgesehen davon, dass etwa vorübergehendes Abschalten von Heizung und Warmwasserbereitung oder das drastische Drosseln der Raumtemperaturen neue teuere Folgen haben könnte: Erhöhte Schimmelbildungs- und Legionellengefahr.

Natürlich gebe es auch bei Schwimmbädern Einsparpotenzial. Ob es unbedingt nötig sei, im Sommer Hallenbäder offen zu lassen oder Außenbecken zu heizen, darüber könne man reden. Auch Saunen oder Whirlpools oder sogenannte Warmbadetage – das müsste nun nicht unbedingt sein, sagen Verantwortliche.

Manches übertrieben

Da ist schon manchmal etwas übertrieben worden“, sagt ein Bürgermeister, der aber auch erklärt – wie viele seiner Kollegen – „Wo sollen wir anfangen? Ich kann der Wäscherei nicht den Strom abdrehen, weil die das Krankenhaus beliefert, ebenso nicht der Bäckerei oder Feuerwehr – da greift ein Rädchen ins andere – also wo würden Sie dann versuchen einzusparen?“

Der Sport sei auch diesmal – wie bei der Flüchtlingsbewegung 2015 oder Corona – bereit, seinen Beitrag zu leisten, sagt Siegel. „Wir wollen unserer gesellschaftlichen Verantwortung natürlich gerecht werden.“ Und so hat der DOSB Empfehlungen zum Energiesparen für die Sportvereine erarbeitet. Auf der Liste findet sich eine Reihe von Vorschlägen, die sicher ohne allzu großen Aufwand schnell umzusetzen sind.

In Sportvereinen macht man sich nun einen Kopf, wie man der Herausforderungen Herr wird – für manchen Verein werden Energiekosten, ob Öl oder Gas, auch zu einer Existenzfrage. Besonders für diejenigen, die eine eigene Halle, ein eigenes Vereinsheim und Platzanlagen haben. Nicht nur wegen der steigenden Energiepreise, sondern auch wenn sie etwa die Halle sanieren wollen: Im Bundesförderprogramm „Sanierung kommunaler Einrichtungen in den Bereichen Sport, Jugend und Kultur“, das nun startete und für das 476 Millionen Euro zur Verfügung stehen, können eigentlich nur Städte und Gemeinden Anträge stellen. Sportvereine sind nämlich nicht direkt antragsberechtigt.

Obwohl der deutsche Sport sich Jahrzehnte lang mit Umwelt und Klima beschäftigt hat, teilweise an manchen Stellen Vorreiter war, hatte das Thema in den letzten Jahren nicht den Stellenwert bei der Führung und in der DOSB-Politik den es eigentlich hätte haben müssen. Vereine und Landessportbünde, Jugendorganisationen und mancher Fachverband waren da schon engagierter. Auch in der internationalen Sportpolitik blieben Umwelt– und Klimafragen – trotz vieler Greenwashing-Hochglanzaktionen – unbeantwortet auf der Strecke.

Über Kritik hinweggesetzt

Und nun zeigt die Energiekrise nicht nur dem Weltsport die Versäumnisse und vor allem die Aufgaben auf, um die man sich seit Jahrzehnten gedrückt hat, und die viele Verantwortliche nicht ernstgenommen haben: Weil man sich ja bisher über alle Kritik hinwegsetzte.

Es gibt nur wenige Verbände, die sich wirklich mit Umweltproblemen beschäftigten und dann dem Nachdenken Taten folgen ließen: Etwa der Deutsche Alpenverein. Oder  Wassersportverbände wie Kanuten, Segler oder Ruderer. „Da ist aber trotzdem noch Luft nach oben und Überzeugungsarbeit zu leisten“, sagte vor einiger Zeit Thomas Konietzko, damals noch nationaler, jetzt internationaler Kanupräsident.

Einsicht, dass es nicht so weitergehen kann wie bisher, dass Ressourcen vergeudet werden und dass man hier teilweise über die Verhältnisse lebt, haben aber im Sport manche noch nicht. Wie sensibilisiert man da? Christian Siegel, seit Jahren unermüdlicher Prediger in Sachen Klima und Umwelt, glaubt, dass nun alle hellwach geworden sind im Sport.

FIS unglaubwürdig

Alle? Beispielsweise der Internationale Skiverband FIS: Wenn dessen Präsident Johan Eliasch vorschlägt, weitere Rennen in den Kalender aufzunehmen, bei Schneemangel weiter hoch in die Berge zu gehen oder Wettbewerbe in Dubai abzuhalten, dann fragt man sich schon, ob der Mann noch alle Schneeflocken beisammen hat. Sein Vorschlag, den Skiverband dadurch klimapositiv zu machen, dass durch eine eigene Initiative die Abholzung von Regenwald im Amazonasgebiet verhindert wird, ist ebenso absurd. Der Unternehmer  wurde im Mai auf weitere vier Jahre wieder gewählt. Auch wenn der Deutsche Skiverband vor der Wahl-Abstimmung mit anderen aus Protest den Raum verließ – offensichtlich haben die Skifunktionäre den Schlag noch nicht gehört. Dabei müssten gerade sie an sterbenden Gletschern und Schneemangel erkennen, dass es höchste Zeit ist zu handeln, wenn sie ihr Geschäftsmodell Skisport noch retten wollen. Und das fängt damit an, Verzicht zu leisten: Auf einen noch weiter wachsenden Terminkalender, neue, irrwitzige Veranstaltungsorte, energiefressende Schneekanonen, Flutlicht, Liftbetriebe. Wachstum war gestern, jetzt gilt es zu retten, was zu retten ist, denn Skilaufen – ob alpin oder in der Loipe – ist mittlerweile noch mehr Luxus als zu Zeiten, da die Klimafrage nicht im Vordergrund stand.

Braucht es vier Bahnen?

Auch Eishallen oder Bob- und Rodelbahnen – von denen sich Deutschland vier leistet (Königssee soll nach der Hochwasserzerstörung wieder aufgebaut werden) – sind ein Luxus, auf den man nicht nur aus Energiegründen verzichten sollte. Etwa, wenn es um die Nutzungsfrage geht. Das gilt auch für das Eissportzentrum Inzell zum Beispiel. Oder teuere kaum genutzte Skisprunganlagen, 

Der Sport muss sich besonders in diesen Sparten endlich ehrlich machen: Braucht man wirklich so viele vom Steuerzahler gepamperte Anlagen, die wenig genutzt werden und der Allgemeinheit nur Kosten verursachen? Denkmäler für Kommunalpolitiker sind unter Einspar-Gesichtspunkten künftig nicht mehr tragbar.

Ernsthafter Klimaplayer

Auch in Sachen Veranstaltungen muss der Sport- besonders der Deutsche Fußballbund und die Ballsportarten insgesamt-  sich überlegen, wie er Ligen-Betriebe neu organisiert, um unnötiges Herumfahren einzuschränken, im Großen wie im Kleinen: Auch das Jetsetten von Spitzen-AthletInnen müsse eingeschränkt werden, fordern seit langem Klima-Kritiker. Und natürlich müssten Großsportveranstaltungen ebenso auf den Prüfstand. Es reiche nicht zu beteuern, dass man alles tun werde, um klimaneutral und nachhaltig zu werden. Die Ernsthaftigkeit dieser Aussage wird durch das Handeln nationaler und internationaler Verbände konterkariert. Denn solange zum Beispiel das IOC zulässt, dass für olympische Wettbewerbe Menschen ihre Häuser räumen müssen, dass in Naturschutzgebieten Wälder gerodet und Landschaften für Skirennen umgebaut werden, Eiskanäle ins Gelände getackert und Stadien zu weißen Elefanten werden, ist der Sport weder ein ernsthafter Klimaplayer oder Energiesparer noch hat er erkannt, dass er an vielen Stellen und in vielen Sportarten schon das eigene Totenglöcklein läutet.