Das DOSB-Fiasko

Kommentar: Nach dem Fehres-Brief sind die Mitgliedsorganisationen gefordert

Berlin, 11. November. Es reicht! Wie lange wollen die Mitgliedsorganisationen dem Treiben auf der Führungsetage des Deutschen Olympischen Sportbundes (DOSB) eigentlich noch zusehen? Spitzenverbände und Landessportbünde sind gefordert, endlich den Ernst der Lage zu erkennen und den Präsidenten Alfons Hörmann seines Amtes zu entheben. Jetzt ist kein Platz mehr für Taktieren, für eigene Interessen und das Strategiespiel, sich und seine Leute gut in Stellung zu bringen und auf die Posten zu hieven. Es geht um weitere Schadensbegrenzung im deutschen Sport, um noch zu retten, was zu retten ist – falls das überhaupt noch möglich ist.

Ansehen und Image von Hörmanns kreiertem „Sportdeutschland“ sind ruiniert, der versuchte Neustart ist unglaubwürdig und wird mehr und mehr zum Rohrkrepierer. Auch weil die Problemverursacher auf den Präsidiums- und Vorstandsstühlen nach wie vor (mit)bestimmen, wo es lang geht. Nicht zuletzt verfestigt sich der Eindruck, dass bei der Kandidatensuche auch nicht mit offenen Karten gespielt wird – Prozedere hin, Findungskommission her.

Rote Linien

Mit dem Vorgehen gegen das ehemalige Vorstandsmitglied für Sportentwicklung, Karin Fehres, sind die roten Linien im Dachverband DOSB endgültig überschritten worden. Unglaublich ist, was sie in dem Brief schilderte, der gestern neuerliche Turbulenzen in der ohnehin schon heftigen Krisensituation des DOSB auslöste. DOSB-FunktionärInnen, die ständig von Werten, Respekt, Verantwortung und Fairplay faseln und dies von anderen einfordern, spielen ein Foul nach dem anderen.

Und schweigen schon zu lange zu den Vorgängen. Ein weiteres Mal liefert der DOSB ein Krisen- und Kommunikationsfiasko. Alfons Hörmann und seine Getreuen aus Präsidium und Vorstand, so scheint es, befinden sich in einer Parallelwelt – nehmen die Realität nicht mehr zur Kenntnis und handeln dementsprechend: Alles wirkt irreal und überzogen.

Im Haus des Sports geht nach wie vor die Angst um, wird nicht nur auf Mitarbeiterversammlungen geheult und erst nach einem Blick auf das Telefon-Display der Hörer abgenommen – es könnte ja jemand sein, der als Feind des Hauses gilt und auf der schwarzen Liste steht, mit dem man lieber nicht ins Gespräch geht. Man weiß ja nie – big brother is watching you?!

Doch es geht noch schlimmer, wie nun die Schilderungen von Karin Fehres zeigen. Da wird die ehemalige Kollegin nicht nur vom Präsidenten, sondern von der Vorstandsvorsitzenden Veronika Rücker und dem Vorstandsmitglied Thomas Arnold mit Hilfe einer Anwaltskanzlei unter Druck gesetzt, ihr mit zivil- und strafrechtlichen Verfahren gedroht, wenn sie nicht gestehe, die anonyme Briefschreiberin vom Mai zu sein, die den DOSB in die Krise und Hörmann & Co. in die Bredouille gebracht haben soll.

Selbstherrlich

Starrköpfig, selbstherrlich, ohne jegliche Empathie, respektlos und unverantwortlich wirkt dieses Verhalten. Thomas de Maizière als Vorsitzender der Ethik-Kommission hatte in seinem Bericht vor allem auch den Präsidenten aufgefordert, gegenüber Dritten, aber besonders gegenüber den MitarbeiterInnen Respekt und Wertschätzung zu zeigen.

Nicht nur der Fall Fehres zeigt, dass dem nicht so sein kann. 2018 in der Mitgliederversammlung, als der Triathlon-Präsident Martin Engelhardt gegen ihn antrat, hatte Hörmann versprochen, die Kritik auf- und ernstzunehmen, die sich in dieser Gegenkandidatur ausdrückte. Versprach vertrauensbildende Maßnahmen, ein Miteinander, Transparenz und Offenheit zu leben. Nichts hat er eingelöst. In einem dpa-Interview wird deutlich, dass er sich als Opfer sieht, er spricht von Umsturz und Machenschaften und Kollateralschäden. Doch die Opfer sind anderswo. Er überzieht seit längerem JournalistInnen, Medien und mittlerweile auch SportkollegInnen mit Klagen oder geht ihnen demonstrativ aus dem Weg.  Er tritt eher als Rächer der Enterbten denn als Versteher der Probleme auf. Seine Welt – seine Wahrnehmung.

Der Sport braucht keinen Spalter, sondern einen Versöhner nach innen und außen, einen, der Sportwerte vorlebt und sie nicht mit Füßen tritt.

Belobigung mit Ehrenpräsidenten

Aber das scheinen nicht nur der Präsident und seine Nibelungen-Treuen bisher nicht begriffen zu haben. Denn wie sonst kann man ernsthaft in den Reihen der Mitgliedsorganisationen darüber diskutieren, ob derjenige, der für den Schlamassel, in dem der organisierte Sport nun steckt, die „politische“ Verantwortung trägt, nun auch noch als Ehrenpräsident belobigt werden soll? Just in der Organisation, die er mit seinen BeifahrerInnen mit Karacho gegen die Wand gesteuert hat?

Man hält schon die Luft an, wenn Basketball-Vorsitzender und DOSB-Neustart-Beauftragter Ingo Weiss sagt, man könne „einen verdienten Präsidenten nicht einfach vom Hof jagen“. Das will auch keiner: Aber ihn jetzt aufzufordern, sofort und vor Weimar – auch seiner selbst Willen – zusammen mit Arnold und Rücker die Stühle zu räumen, wäre angemessen, stil- und respektvoll. Und überfällig.

Alfons Hörmann wird sich sicher nicht freiwillig vorzeitig aus dem Spiel nehmen. Deshalb sind die Verbandsvertreter gefordert. Es reicht nicht mehr, hinter vorgehaltener Hand zu meckern, sondern sie müssen nun endlich aktiv werden. Nur dann können sie den DOSB und Sportdeutschland vor weiterem Gesichtsverlust sowie vor Querelen bewahren. Übernehmen Sie endlich Verantwortung, meine Damen und Herren Funktionäre. Das sind Sie jedem einzelnen Steuerzahler und jedem einzelnen Mitglied in deutschen Sportvereinen schuldig!