LSB-Referent am Ohr der Politik

Thomas Härtel über den DOSB, Kampagnen und Vereine nach der Pandemie

Berlin,22. Juni. Eigentlich hätte der Deutsche Olympische Sportbund (DOSB) genug zu tun: Die Olympischen und Paralympischen Spiele stehen vor der Tür, die Pandemie und ihre Folgen sowie die neuen Anforderungen durch die Öffnung stellen Vereine und Verbände vor neue Herausforderungen. Doch DOSB-Präsidium und Vorstand sind vor allem mit sich selbst beschäftigt, nachdem ein anonymer Brief von MitarbeiterInnen ein inneres Beben ausgelöst hat. In das Gespräch von sportspitze.de mit dem Präsidenten des Landessportbundes Berlin, Thomas Härtel, über die Krisenbewältigung im DOSB und nach der Pandemie sowie die Wege der Landessportbünde platzte die DOSB-Erklärung vom Rückzug Alfons Hörmanns und seines Schatzmeisters Kaweh Niroomand aus Berlin.

Sportspitze: Herr Härtel – aus Ihrer Sicht: Wieso hat sich Alfons Hörmann nun doch zum Rückzug entschlossen?

Härtel: Der Vorschlag des Präsidiums, zunächst auf einer außerordentlichen Mitgliederversammlung nach den Olympischen und Paralympischen Spielen im September die Vertrauensfrage zu stellen, wurde von der Konferenz der Landessportbünde einstimmig abgelehnt. Auch bei den Spitzenverbänden wurde nach ihrer Sitzung entgegen eines eher unterstützenden Votums für den Vorschlag von Alfons Hörmann im Nachgang aber mehr und mehr deutlich, dass es für den DOSB in dieser schwierigen Lage doch zielführender ist, auf der ordnungsgemäßen Mitgliederversammlung im Dezember ein neues Präsidium zu wählen.Wir brauchen dafür eine gute inhaltliche Vorbereitung. Also eine folgerichtige Entscheidung von Herrn Hörmann, dessen Verdienste für den Sport ich aber auch nicht unter den Teppich kehren möchte.

Sportspitze: Zwei treten ab, die anderen im Präsidium und Vorstand zeigen aber irgendwie nicht deutlich, dass sie begriffen haben, dass es mit Ihnen auch nicht so weitergehen kann. Was erwarten Sie von Präsidium und Vorstand?

Härtel: Die Ursachen für die aktuelle Situation gehen ja weiter zurück, nämlich bis zu Zeiten der Fusion. Das haben Sie selbst geschrieben. Wir müssen nun mal bewerten, was bei diesem Zusammenführen von Deutschem Sportbund und Nationalem Olympischen Komitee gut oder schlecht gelaufen ist. So eine Fusion ist ja ein enormer Kraftakt. Und da hätte man schon längst mal schauen müssen, wie ist das gelaufen und was sind die Folgen.Wir müssen strategische Ziele erarbeiten, die die ganze Breite des organisierten Sports in den Blick nehmen. Nicht nur die Pandemie hat uns gezeigt, vor welchen Herausforderungen wir stehen. Der Sport ist ein ressortübergreifendes Politikfeld, das es zu beackern gilt. Gesundheit, Nachhaltigkeit, Inklusion und Partizipation, die gemeinschaftsfördernde Funktion des Sports und vieles mehr sind neben dem Leistungssport zentrale Aufgaben.

Sportspitze: Dass es unübersehbare Fusions-Folgen gibt, wurde ja geleugnet. Zum Beispiel, dass der Breitensport abgedrängt wurde und mit ihm auch die MitarbeiterInnen dort.

Härtel: Da gebe ich Ihnen recht. Jetzt muss endlich mal bewertet werden, welche Auswirkungen die mit der Fusion verbundenen Strukturveränderungen mit sich brachten. Und man muss aus den Erfahrungen die richtigen Schlüsse und Konsequenzen ziehen.

Sportspitze: Apropos: Es wurde nach der Fusion die Satzung des DOSB geändert, wo genau die Aufgabenverteilung zwischen hauptamtlichem Vorstand und ehrenamtlichen Präsidium geregelt wurde. Hauptargument für die Änderungen waren: Ehrenamtliche trügen ein zu großes Risiko, wenn es um rechtliche und finanzielle Probleme geht, die mit wachsender Kommerzialisierung kommen. Man stehe mit einem Bein als Ehrenamtler im Gefängnis, so Alfons Hörmann damals. Deshalb müsse es eine klare Rollenverteilung geben, die aber so nur kurz zu Zeiten von Michael Vesper als Vorstandsvorsitzender stattgefunden hat. Dann war der Präsident allgegenwärtiger Macher. Ist der Eindruck richtig?

Härtel: Klare Rollenverteilung auf dem Papier reicht nicht. Da gibt es einen ehrenamtlichen Präsidenten und eine hauptamtliche Vorständin – deren Verantwortungsfelder sind klar geregelt. Natürlich muss man sich ab und zu als Präsident einklinken. Aber man muss aufpassen, das weiß ich aus eigener Erfahrung, dass das nicht zur Gewohnheit wird. Die Hauptamtlichen müssen eigenverantwortlich ihre Arbeit machen können.

Sportspitze: Das ständige Einmischen ist ein Vorwurf an den DOSB-Präsidenten, der jetzt nicht neu ist, doch die Vorstandsvorsitzende stellt es nun so dar, dass sie vom Präsidenten nur unterstützt wurde, in einer Ausnahmesituation – es sonst aber nicht so sei.

Härtel: Diese Aussage in der Konferenz der Spitzenverbände war irritierend. Und das geht ja an dem Kernproblem vorbei, das da ist: In verschiedenen Bereichen dringen offensichtlich kompetente MitarbeiterInnen mit ihren konzeptionellen Überlegungen gar nicht mehr durch. Vieles wird in ihren Augen nicht mitgenommen oder ohnehin alles eher von oben bestimmt. MitarbeiterInnen und auch Mitgliedsorganisationen werden oft nicht mitgenommen. Es geht nicht, wenn nur das aufgepinselt wird, was ein Präsident sagt oder für richtig hält. Da muss man eine offene Kommunikation und Teamarbeit entwickeln.

Sportspitze: Ja, das soll ja nun mit externen Beratern gelingen- Change of Culture hat Veronika Rücker als mal wieder als neuestes Schlagwort ausgegeben.

Härtel: Aber was soll da jetzt ein externer Berater? Man muss sich doch erst mal selbst den Problemen stellen und intern mit seinem Betriebsrat, mit MitarbeiterInnen, mit dem Ombudsmann Verfahren finden, wie man die Schwierigkeiten beheben kann und Lösungen erarbeiten. Dann kann man ja immer noch einen externen Berater holen, der den Prozess über eine Strecke hin begleitet. Aber erst muss man sich selbst reflektieren.

Sportspitze: Nicht nur die Ethikkommission hat überrascht, sondern auch die Konferenz der Landessportbünde, die sich  ungewöhnlich klar und einmütig positioniert hat – nicht nur in Sachen Mitgliederversammlung und Neuwahl. Es wird nun zügig eine Geschäftsstelle der Konferenz der Landessportbünde mit einem hauptamtlichen Referenten geben. Der wird in Berlin hier im Manfred von Richthofen-Haus des LSB sitzen. Wie kam es dazu?

Härtel: Wir wollen sportpolitisch am Ball sein. Deshalb soll der Referent auch hier in Berlin angesiedelt sein, wo man in der Nähe der politischen Player sitzt – hier spielt die Musik, hier muss sich der Sport ressortübergreifend in die Politik einbringen. Ob es um Prävention, Transparenzregister, Gesundheits- oder soziale Fragen geht. Wir wollen dicht dran sein. Außerdem möchten wir mit unserem Sprecher auch auf der Sportministerkonferenz und der Sportdirektorenkonferenz ständig vertreten sein. Denn dort sind ja die regionalen Minister, die für die Landessportbünde zuständig sind.Und wir wollen das mit dem DOSB gemeinsam tun. Wichtig ist uns ein Miteinander. Parallele Strukturen wollen wir vermeiden.

Sportspitze: Also ist das nicht als Konkurrenz zum DOSB zu verstehen?

Härtel: Nein. Wir haben eine Interessenvertretung der Landessportbünde gemeinsam mit dem DOSB, die wir da zum Ausdruck bringen wollen. Diese Entscheidung ist ein historisches Ereignis.

Sportspitze: Sie haben auch noch einen neuen Sprecher gewählt? Hatte Elvira Menzer-Hassis verzichtet?

Härtel: Nein, sie unterlag dem Präsidenten des Bayerischen Landessportverbandes, Jörg Ammon, der kurz vorher sein Interesse kundgetan hatte..

Sportspitze: Kommen wir jetzt zur Pandemie und was nun zu tun ist – aber auch da kommt der DOSB und seine Art der Kommunikation ins Spiel. Aber zunächst – wie sieht es aus im Berliner Vereinssport? Sind alle bereit?

Härtel: Zunächst sind wir alle froh, dass wir wieder in Bewegung sind – im besten Sinne. Die Vereine müssen nun sehr viel organisieren, ob nun die Kontaktaufnahme mit den Mitgliedern, neue Zeiten für die Sportstätten festzulegen – alles auf Vordermann zu bringen. Da ist der Alltag schon zurück. Aber wir müssen nicht nur behutsam nun alle wieder zusammenfinden, sondern auch auf der Hut sein, um nicht plötzlich in der vierten Welle zu hängen. Deshalb sind natürlich – trotz aller Begeisterung, dass wir nun immer mehr öffnen und machen können, darauf zu achten, dass Auflagen eingehalten werden. Und dazu gehören nicht nur die Hygienekonzepte, die nun teilweise angepasst werden müssen. Es geht auch um ordentliche Sanitäranlagen, um Zu- und Ausgangssituationen an Sportstätten, wo man sich nicht unbedingt gleich wieder in Masse ballen sollte.

Der LSB versucht die Vereine zu unterstützen, wir haben zum Beispiel über 200 000 Selbsttestkits ausgegeben. Und auch der vom Senat aufgelegte Rettungsschirm hilft weiterhin. Die Vereine stehen vor großen Herausforderungen . Sie müssen die Krisenfolgen bewältigen, etwa bei der Ansprache vor allem von Kindern und Jugendlichen. Vertrauen, Glaubwürdigkeit schaffen – oder manchmal auch wieder schaffen, sind auch Aufgaben, die Vereine nun stärker denn je vor sich haben.

Sportspitze: Nun soll es ja eine neue DOSB-Kampagne geben, um BürgerInnen wieder oder neu für den Verein zu begeistern. Die LSB haben sich entschieden, bei der DOSB-Kampagne nicht mitzumachen, sondern sich der „sportVereintuns“ Kampagne des niedersächsischen Turner-Bundes anzuschließen. Warum?

Härtel: Mal abgesehen von etwas skurrilen Slogans wie „Von der Risikogruppe zum Expertenrat“ oder „Volleyball ohne Verein ist wie Blut ohne Druck“ und der düsteren Gestaltung, war auch dies nicht mit den LSB abgesprochen. In diesem niedersächsischen Angebot können sich Vereine einbringen, selbst passgenau für die Nachbarschaft in ihrer Umgebung gestalten. Da kann man den Sport so darstellen, wie er rüberkommen soll: Als Spaßfaktor, fröhlich, gemeinschaftlich, ja auch gesellig.. Und das hat nichts mit Vereinsmeierei zu tun, wie manche meinen.

Sportspitze: Der Sportverein meldet sich zurück und will auch die verlorenen Mitglieder aus Pandemiezeiten zurückholen. Wie?

Härtel: Die großen Befürchtungen sind zum Glück nicht eingetreten. Wir haben, und das ist bitter, 34 000 von rund 700 000 Mitgliedern verloren. Aber es hat sich auch gezeigt, dass die große Mehrheit der Mitglieder den Vereinen die Treue gehalten hat. Wir haben im Berliner Sport- und Freizeitverband, im Schwimmen, bei Gesundheits- und Behindertenangeboten Mitglieder verloren, aber wir sind sehr optimistisch, sie wieder zurückzuholen. In den Ferien bieten wir zusammen mit der Bildungsverwaltung und dem Berliner Schwimmverband wieder Intensiv-Schwimmkurse an. Die Nachfrage ist unglaublich. Auch in anderen Verbänden tut sich einiges. Leider muss ja nun auch unserer Familiensportfest im Olympiapark, das ein Renner ist, nun zum zweiten Mal ausfallen. Aber dafür gibt es zwölf kleine Familienfeste. Wir haben das mit unseren Bezirkssportbünden auf den Weg gebracht und freuen uns auch über die Unterstützung der Bezirksstadträte und der Senatssportverwaltung. Vielleicht schaffen es nicht alle, aber am 22. August ist die Sportmetropole Berlin in Bewegung – in den Kiezen. Und beim Halbmarathon, wo wir uns natürlich nicht in die Quere kommen, sondern wunderbar ergänzen.