Sportministerkonferenz beschließt ihre Bundesstützpunkt-Liste und fordert neuen Streit heraus
Berlin, 11. November. Die Sportministerkonferenz hat sich von der Zentralisierung der Bundesstützpunkte (BSP) offensichtlich verabschiedet. Sie traf sich am Donnerstag und Freitag dieser Woche im saarländischen St. Wendel zu ihrer 41. routinemäßigen Konferenz. Themenschwerpunkt war wieder einmal die „Neustrukturierung des Leistungssports und der Spitzensportförderung“ – kurz die Leistungssportreform. „Wir haben einen wesentlichen Fortschritt in der Diskussion um die Leistungssportreform erreicht, indem wir die Liste mit den möglichen Bundesstützpunkten jetzt dem Bund überreichen, damit das Anerkennungsverfahren beginnen kann“, sagt der Vorsitzende der Sportministerkonferenz (SMK), der saarländische Innenminister Klaus Boullion, bei der abschließenden Pressekonferenz der zweitägigen Veranstaltung. Er müsste wissen, dass das wohl nicht so einfach wird.
Denke positiv! Nicht nur positives Denken, sondern vor allem positive öffentliche Verlautbarungen sollen wenigstens von der SMK ausgehen, bei der es laut Bouillon viele „positive Signale“ der Teilnehmer gab, wenn schon sonst die Laune in Sportdeutschland im Keller ist. Als Stimmungsaufheller haben es Sportpolitiker- und -funktionäre schon zu einem gewissen Medaillenpotential gebracht, seit sie ständig Streit, Chaos und provozierte Missverständnisse rund um die Reformumsetzung erklären müssen. Gelebte Harmonie der 16 angereisten LandesministerInnen und ihrer Entourage. Man war sich offensichtlich schon vor dem Treffen einig, hatte nicht viel zu diskutieren und war mehr als zeitig und geplant am Freitag fertig.
Alles einstimmig
Alle Beschlussvorlagen wurden einstimmig angenommen. „Wir haben in sehr angenehmer Atmosphäre getagt“, läßt Boullion in einer abschließenden Pressemitteilung die Öffentlichkeit wissen. „Was die Leistungssportreform anbelangt, ist auf Länderseite alles geklärt, jetzt muss auf Bundesebene Klarheit geschaffen werden. Wenn alle Sportminister Deutschlands – nach Möglichkeit gemeinsam mit dem DOSB – die Dinge gegenüber dem Bund formulieren, dann haben wir Schlagkraft. Ich bin vorsichtig optimistisch, dass wir mit dieser Konferenz Bewegung in den laufenden Prozess bringen können“, so der Saarländer weiter.
Und schon fängt das neue Elend an. Der Lieblingssatz von DOSB-Präsident Alfons Hörmann (der auch im Saarland weilte) – der mit „Wahrheit, Klarheit, Transparenz“ – steht wie ein Menetekel an der Wand und lässt nichts Gutes ahnen: Neuer Streit liegt in der Luft.
Denn die Liste, die es nun von Seiten der Länder gibt, die aber nicht veröffentlicht wurde, stellt nicht nur einen Hauptpunkt der Reform in Frage, sondern führt wieder einmal alle Beteuerungen ad absurdum, dass man diese Reform gemeinsam umsetzen wolle.
202 Stützpunkte?
Von wegen Streichkonzert! Im Reform-Konzept, das alle abgenickt haben, steht, dass man die Bundesstützpunkte bis zu 20 Prozent reduzieren will. Von den damals zu Grunde gelegten 204 Bundesstützpunkten (ohne Behindertensport) sollten am Ende noch etwa 165 übrig bleiben. Steht da. Zentralisierung für mehr Erfolg war ein Grundgedanke. Von dieser Vorgabe ist man nun offensichtlich – zumindest die Länderminister und der DOSB – meilenweit abgerückt. Denn die Sportminister haben sich dem Vernehmen nach auf 202 Stützpunkte festgelegt. Der Vorschlag, der nun dem Bundesinnenministerium (BMI) vorgelegt wird, basiert auf der Liste des DOSB vom September (liegt Sportspitze vor), die – je nachdem wie man zählt (und dazu die Winterstützpunkte addiert) -193/195 Stützpunkte umfasst. Damit hätten sich die Sportminister auf ihrer Liste noch einen weiteren Zuschlag gegönnt.
Das Bundesinnenministerium, das in St. Wendel natürlich auch vertreten war, so hört man, ist nicht besonders erfreut, dass nun eine neuerliche Pirouette gedreht wird, und sich die Partner wieder einmal nicht an die gemeinsam verabschiedeten Vorgaben halten.
Absprachen und Vereinbarungen sind bei den Teamplayern aus Sport und Politik, wo ja gerne auch viel über fair play und Mannschaftsgeist schwadroniert wird, offensichtlich mittlerweile nur noch eine taktische Variante – je nach eigener Vorteilslage. Die Länder beteuern in Sachen Bundesstützpunkte (BSP) zwar ihren gemeinsamen Kurs, gehen dann aber doch ihre eigenen Wege. Eigeninteressen sind wichtiger als alles andere.
Schulterschlüsse en masse
Seit man die Reform-Umsetzungsversuchsreihen startete, haben die beteiligten Macher aus dem Bundesinnenministerium, den Ländern und die Funktionäre des DOSB keinen öffentlichen Auftritt ausgelassen, um Schulterschlüsse en masse in Sachen Reform zu zelebrieren. Das öffentlich verkündete Credo hat allerdings mit der eigentlichen Wahrheit nichts zu tun: In der deutschen Sport-Politik klaffen tiefe Gräben: Machtansprüche, Unlauterkeit und Profilierungssüchte haben die Beziehungs- und Vertrauensstränge vor allem der Protagonisten aus dem BMI und dem DOSB, aber auch innerhalb des Sports reißen lassen. Die Mitgliedsorganisationen des DOSB lassen das nach wie vor alles mit sich machen, sehen zu, wie das Image des deutschen Sports (und somit ihr eigenes) nicht nur ramponiert wird, sondern vor dem Absturz ist.
Glaubwürdigkeit und Vertrauen nicht nur von Sportfans und Interessierten, sondern von Vereinsmitgliedern, die gleichzeitig BürgerInnen und Steuerzahler sind, werden und wurden leichtfertig verspielt, weil es nur den wenigsten unter den Reform-Machern wirklich um die Sache geht.
„Wir haben nun über ein Jahr der Öffentlichkeit erklärt, dass wir Ressourcen bündeln müssen, um erfolgreicher zu werden. Zentralisierung als neues Zauberwort für Medaillenregen. Das versteht kein Mensch mehr, was hier abgeht.“ Kopfschütteln bei Betroffenen. „Das Chacos setzt sich fort“. So der Standardsatz von mittlerweile völlig genervten und ratlosen Sportmenschen, die in dem System arbeiten müssen.
Der Wankelmut und der Egoismus von Entscheidungsträgern lässt befürchten, dass nun die gesamte Reform gegen die Wand gefahren wird – und am Ende, um das Gesicht zu wahren, nur noch „kosmetische Operationen“ durchgezogen werden.
Dieselbe Richtung
Auf wen oder was soll man noch setzen? Da wurde vom 21. bis 23 Juni beim Treffen der Spitzenverbände und dem anschließenden Wahlhearing in Berlin zwischen Bundesinnenminister Thomas de Maizière und dem SMK-Vorsitzenden Klaus Bouillon nachhaltig demonstriert, dass man in dieselbe Richtung gehe, gemeinsame Entscheidungen und Terminabsprachen mittrage. Zur gleichen Zeit tagte die Sportreferentenkonferenz (SRK), die zwar die unmittelbar vorher abgesprochene Zeitschiene für die Neuanerkennung der Bundesstützpunkte in Frage stellte, ansonsten aber auch standfest schien. Damals beschloss die SRK noch: „Die Länder fordern die Umsetzung der im Eckpunktepapier zur Leistungssportreform festgeschriebenen Reduzierung der BSP um bis zu 20 Prozent. Die von Bund und Ländern formulierte Zielgröße von 165 BSP bildet dabei den Rahmen. Die Länder unterstützen die Auffassung des Bundes, dass BSP künftig nur disziplin– und standortscharf anerkannt werden können.“
Streit als Begleitmusik
Seit einem Jahr sind Streit und Chaos die Begleitmusik der Reformumsetzung. Fast schon Routine ist es geworden, dass nach Auseinandersetzungen Schulterschlüsse und gegenseitige Beteuerungen der führenden Beteiligten die desolate und explosive Gemengelage beruhigen und befrieden sollen. Wie es scheint, ein aussichtsloses Unterfangen, weil auch Rechthaberei, Sturheit und Selbstüberschätzung Einzelner die Probleme verschärfen.
Am 15. August sahen sich die Protagonisten nach öffentlichem Gezänk zu einem neuerlichen Schulterschluss gezwungen. In einer gemeinsamen Pressemitteilung hieß es da: „Der Reformprozess zur Neustrukturierung des Leistungssports und der Spitzensportförderung wird intensiv fortgesetzt, so das einheitliche Votum von Bundesinnenminister Dr. Thomas de Maiziere, dem Vorsitzenden der Sportministerkonferenz der Länder (SMK), Klaus Boullion, weiterer Länderkollegen aus Bremen, Bayern und Nordrhein-Westfallen, sowie dem Präsidenten des Deutschen Olympischen Sportbundes (DOSB), Alfons Hörmann, nach einer gemeinsamen Besprechung.“ Drei Monate später nochmal die Nachfrage beim BMI zu dem August-Gespräch. Man habe sich damals, so die BMI-Pressestelle , auf den „vereinbarten Zielkorridor von künftig 165 BSP verständigt“.
Hörmann ließ sich im August so zitieren: „In intensiven Verbandsgesprächen haben DOSB und Spitzenverbände binnen weniger Monate eine neue sportfachliche Bewertung der potentiellen Bundesstützpunkte erarbeitet. Nun geht es um eine verantwortliche Umsetzung, bei der Sorgfalt vor Schnelligkeit geht.“
Verantwortliche Umsetzung? Experten und Sportinsider sagen,, dass man sich nach den Einlassungen und Begründungen der letzten Monate, dass Zentralisierung doch der neue Erfolgsgarant sein solle, schon fragen müsse, wie man dann auf diese Zahl von 202 Stützpunkte komme. Unter „sportfachlichen Aspekten“ – mit oder ohne Reform – könne man diesen Listen-Vorschlag nicht nachvollziehen. Aus ihrer Sicht werde da Steuergeld aus Prestige- und Proporzgründen zum Fenster rausgeworfen.
Bundesrechnungshof prüft
Dass Steuermittel im Sport sinnvoll ausgegeben werden, dafür wird wohl nun der Bundesrechnungshof sorgen. Auf Anfrage, ob es im Zusammenhang mit der Umsetzung der Leistungssportreform und der damit verbundenen finanziellen Mittel tatsächlich (wie im Sommer schon gemeldet) eine Überprüfung gibt, antwortet das BMI: „Ja. Die Berichterstatter aller Fraktionen für den Einzelplan BMI im Haushaltsausschuss des 18. Deutschen Bundestages haben den Bundesrechnungshof gebeten, vor Bewilligung von Haushaltsmitteln im Bereich des Einzelplanes 06 (Sport) eine Einschätzung zum Sachstand der Umsetzung des gemeinsamen Kozeptes des BMI und des DOSB zur Neustrukturierung des Leistungssports und der Spitzensportförderung abzugeben.“
Mancher Landesrechnungshof könnte da vielleicht auf eine Idee kommen. Der Bund wird den Stützpunkt-Wunschzettel der Länder und des DOSB auch deshalb penibel durchgehen, weil ihm nun jemand genau auf die Finger schaut. Und weil man sich an die eigenen Vorgaben halten will. Schließlich lautete die BMI-Arbeitsthese: Reduzieren nicht um jeden Preis, aber da, wo es Sinn macht. Im September, wie gesagt, hat der DOSB seine Liste vorgelegt, die im Oktober noch mit 6 Bundesstützpunkten für den Bund Deutscher Radfahrer erweitert wurde.
Elegant haben die Länder nun erst mal wieder gemeinsam mit dem DOSB den Schwarzen Peter dem Bund zugeschoben. Zu Hause kreiseln sie um ihr eigenes sportpolitisches Ding.
Mag der DOSB nun glauben, in den Ländern und Landessportbünden Verbündete zu haben – Zoff gibt es sicher weiter. Und das liegt nicht nur an neuen, alten Listen. Wie vor der Mitgliederversammlung in Magdeburg im letzten Jahr, wo die Reform mit überwältigender Mehrheit, trotz Gemotze und Gejaule der Mitgliedsorganisationen im Vorfeld, angenommen wurde, gärt es auch diesmal wieder im Reformlabor des Sports. Auch jetzt wird viel von Palastrevolution gegen den Sport-Imperator aus dem Allgäu geredet, der mit seinen Durchregier-Versuchen „uns alle ins Chaos gestürzt hat“. Natürlich wieder nur hinter verschlossenen Türen. Und es bleibt vermutlich auch diesemal- wie gehabt – bei einem Maulhelden-Umsturzversuch.
VERÖFFENTLICHT
Seit Montag, 13. November,sind die Beschlüsse und die Vorschlagsliste auf der Website www.Sportministerkonferenz.de unter der Rubrik Beschlüsse zu finden.