Der DOSB – ein taumelnder Scheinriese?

Präsidium vertraut Hörmann/Landessportbund NRW legt nach 

Berlin/Frankfurt 7. Mai. Das Präsidium des Deutschen Olympischen Sportbundes (DOSB) und der Vorstand stellen sich geschlossen hinter den Präsidenten Alfons Hörmann. In einem Statement zu dem Offenen Brief, der den deutschen Sport in Aufregung versetzte, sprechen die sieben Präsidiumsmitglieder Hörmann „das uneingeschränkte Vertrauen und unsere vollumfängliche Unterstützung aus“. Da könnte eine  Stellungnahme des Landessportbundes Nordrhein-Westfalen nun aber einiges ins Wanken bringen.   

Der Landessportbund Nordrhein-Westfalen und sein Präsident Stefan Klett erhöhen den Druck auf den DOSB und dessen Präsidenten Hörmann. Gegenüber Sportschau.de hatte Klett am Donnerstag den Rücktritt von Hörmann gefordert, nun ist folgendes zu lesen: “ Zu unserer Rücktrittsforderung an den DOSB-Präsidenten Alfons Hörmann weisen wir auf Folgendes hin: Schon vor Wochen haben Mitarbeitende des DOSB uns gegenüber über Vorgänge berichtet, die  sich vollständig und teilweise  wortgleich mit dem decken, was gestern im Rahmen eines anonymen veröffentlichte Offenen Briefes an Vorwürfen gegenüber Herrn Hörmann bekannt geworden ist. Darüber hinaus wurden uns die Vorgänge auch nach Erscheinen des Briefes von Mitarbeitenden des BOSB bestätigt. Wir appellieren an die betroffenen Mitarbeitenden, sich an eine neutrale Beschwerdestelle zu  wenden.“

Die Vorwürfe, die in der Mail erhoben wurden, kursieren in der Sportfamilie schon längere Zeit. Niemand schien diese bisher ernst zu nehmen. Doch im Haus des Sports in Frankfurt, wo der DOSB residiert, so sagen MitarbeiterInnen, sei die Stimmung schon lange im Keller. Und so war es nur eine Frage der Zeit, dass der Kessel, offenbar gefüllt mit heruntergeschlucktem Ärger, Emotionen, Kritik an Stil und Umgang auf der Führungsetage, irgendwann mal in die Luft fliegen würde. Nun scheint für einige der Druck nicht mehr auszuhalten gewesen zu sein. Der eingeschlagene Weg, sich in einem anonymen Schreiben Luft zu verschaffen, war aus Sicht der Autoren die letzte und einzige Möglichkeit, auf Probleme und ihre Situation aufmerksam zu machen.

„Man muss mit anonymen Schreiben natürlich vorsichtig sein und muss das überprüfen“, sagt der Präsident des hessischen Landessportbundes, Rolf Müller, auf Anfrage. „Wenn das Schreiben echt ist, dann muss da schon einiger Druck im Kessel sein und einiges schief laufen, wenn man dann einen solchen Weg wählt.“

Dass die Autoren diesen Weg gewählt haben, darüber wundert sich das Präsidium in seinem Statement. Dieses beschäftigt sich ausschließlich mit den Vorwürfen gegen den Präsidenten, nicht aber auch mit den Vorwürfen gegen die Führungsetage und Gremien – also auch sie selbst.

Lehnen diesen Stil ab

„Wir verfolgen gemeinsam das Ziel eines wertebasierten Handelns und sehen als einen wichtigen Bestandteil die jederzeit offene Bereitschaft zur Kommunikation. Daher sind wir über die anonym erhobenen Vorwürfe zur aktuellen Führungssituation im DOSB und insbesondere gegenüber unserem Präsidenten verwundert und lehnen diesen Stil der Kommunikation und den eingeschlagenen Weg über Medien ab. Ungeachtet dessen werden die angeführten Kritikpunkte überprüft“, heißt es in dem Statement.

Und weiter: „Unserem Präsidenten Alfons Hörmann sprechen wir das uneingeschränkte Vertrauen und unsere vollumfängliche Unterstützung aus, gleichzeitig werden wir im intensiven Austausch mit den Mitarbeiter*innen die Vorwürfe ernst nehmen.

Unser Anliegen ist es, im vertrauensvollen Miteinander von Ehrenamt und Hauptberuf, Führungsgremium und Mitarbeiter*innen für den DOSB und den Sport in Deutschland zu wirken.“

Kein gutes Bild

Der Sport gibt  in einigen Verbands-Führungsetagen derzeit kein gutes Bild ab. Das Krisenmanagement lässt vielerorts zu wünschen übrig. In angespannten Pandemiezeiten keine gute Voraussetzung, die zusätzlichen Anforderungen zu meistern. Müller beklagt, dass unter den hausgemachten Problemfeldern das Ansehen des Sports leide. „Wenn man sieht, wie man – etwa im DFB und auch im DOSB – miteinander umgeht, das entspricht nicht den Werten des Sports, die wir vertreten. Wenn sich das alles bewahrheitet, was in dem Schreiben steht, dann muss man auch über personelle Konsequenzen reden.“

Der Berliner Landessportbundpräsident Thomas Härtel ist mit seinem hessischen Kollegen d‘accord, dass da wohl ein großes Unbehagen in der Mitarbeiterschaft des DOSB herrschen muss, auch wenn er die Art der Kommunikation für nicht richtig hält. „Es muss doch möglich sein, Probleme im Gespräch miteinander klären zu können. Wir dürfen nicht nur über gegenseitigen Respekt und Miteinander reden und es von anderen einfordern, wir müssen das auch – auch als Präsident – vorleben.“ Es müsse schon ein sehr angespanntes Klima herrschen, wenn man dann „diese Art der Kommunikation wählt“, sagt Härtel, der zuerst einmal auf Offenheit, Wahrheit und Toleranz setzt, die der DOSB sich ja auf die Fahnen geschrieben hat, um die Probleme zu lösen, die er vor allem im Verhältnis zwischen Ehrenamt und Hauptamt sieht.

Viele im deutschen Sport haben in den letzten Jahren auch nur hinter vorgehaltener Hand Kritik am Dachverband geübt, weil sie von zuviel Offenheit ihrerseits Nachteile für sich und den jeweiligen Verband befürchteten. Nur wenige trauten sich, offen mal etwas zu sagen. Nun wollen auch einige wieder lieber anonym bleiben, nur im Zweiergespräch ihren Ärger los werden – und kritisieren aber gleichzeitig die anonymen Mailschreiber, die diese Methode der Kommunikation für sich gewählt haben.

Gute Zusammenarbeit

Dennoch gibt es vorsichtige Stellungnahmen auch aus den Spitzenverbänden. Etwa vom Deutschen Leichtathletik-Verband. „Aus Sicht des Deutschen Leichtathletik-Verbandes obliegt eine Einschätzung des Offenen Briefes gegen DOSB-Präsident Alfons Hörmann und damit eine Klärung des Sachverhaltes ausschließlich dem Deutschen Olympischen Sportbund (DOSB). Was die Zusammenarbeit mit dem DOSB betrifft, arbeiten wir seit vielen Jahren vertrauensvoll und professionell mit den Vertretern der obersten Sport-Dachorganisation Deutschlands zusammen“, heißt es da.

Der Präsident des Deutschen Ruderverbandes, Siegfried Kaidel, erklärt: „Wenn solche Äußerungen aus der Belegschaft kommen, dann sollte man diese sehr, sehr ernst nehmen, den Vorwürfen genau nachgehen und über Lösungen nachdenken.“

Doch wer soll denn nun die Vorwürfe überprüfen? Das Präsidium selber, das sich dann auch selbst überprüft? Die Ethik-Kommission des DOSB? Oder außenstehende, vom Sport unabhängige Personen mit Erfahrung in Personalfragen und Arbeitsrecht?

Auch das sportpolitische Berlin schaut mit Interesse und hochgezogenen Brauen in Richtung Frankfurt. Die Statements aus der Hauptstadt sind deutlich: Monika Lazar, Sprecherin für Sportpolitik der Bundestagsfraktion der Grünen, sagt: „Es sind schwerwiegende Vorwürfe, die gegen DOSB-Präsident Hörmann in dem anonymen Scheiben erhoben werden. Sollten sie sich bewahrheiten, sind Konsequenzen im Dachverband des deutschen Sports, der für sich in Anspruch nimmt, Werte wie Fairplay und Respekt zu leben und zu transportieren, sicher unausweichlich. Die Ethik-Kommission muss sich nun mit den Vorwürfen befassen.“

Dass Spitzensportverbände ausgerechnet jetzt nur negative Schlagzeilen produzieren, betrübt auch Lazar. „Die Spitzenverbände DOSB und DFB geben aktuell ein miserables Bild nach außen ab. Während der Breitensport seit Monaten fast komplett still liegt und immer noch nicht klar ist, wie Sportgroßveranstaltungen wie die Paralympischen Spiele und Olympischen Spiele oder die Fußball-EM der Männer verantwortlich und pandemiesicher umgesetzt werden können, kreisen Teile der Führungsetage des deutschen Sports um sich selbst. Das ist angesichts der Herausforderungen für den Sport unwürdig. Sämtliche im Raum stehenden Vorwürfe müssen unverzüglich aufgeklärt und die sich daraus ergebenen personellen und strukturellen Konsequenzen zeitnah umgesetzt werden.“

Der sportpolitische Sprecher der SPD, Mahmut Özdemir, wird ebenso deutlich. „ Ich sehe erheblichen Aufklärungs- und Reformbedarf beim DOSB. Wenn ich jetzt noch vernehme, dass der Landessportbund NRW mit ca. fünf Millionen Mitgliedern auch offen den Rücktritt von Alfons Hörmann fordert, dann sehe ich, dass der taumelnde Scheinriese DOSB unter Führung von Hörmann schon längst ein gefallener Riese ist, wie uns auch die Bewerbung um die Olympischen Spiele 2032 in Rhein-Ruhr verdeutlich hat. Das zeigt leider auch, dass Deutschland nicht nur international olympisch isoliert, sondern auch der DOSB gegenüber den Landessportbünden isoliert scheint. Wir brauchen dringend einen neuen Zusammenhalt, Aufklärung und vor allem echte Transparenz statt Gutachten von großen Wirtschaftsprüfern. Der DOSB und der Sport jedenfalls dürfen unter dieser Personalie nicht leiden.“

André Hahn von den Linken hält sich etwas bedeckter, da er das Schreiben nicht im Wortlaut kenne, aber: „Es wäre allerdings verheerend, wenn nach dem Deutschen Fußball-Bund auch noch der Dachverband des Sports in eine veritable Führungskrise geraten und gerade in den schwierigen Corona-Zeiten de facto handlungsunfähig werden würde. Die jetzt im Raum stehenden Vorwürfe müssen daher vollständig und vor allem schnell aufgeklärt werden. Daran muss gerade DOSB-Präsident Hörmann ein großes Interesse haben.“

Heute und morgen (Samstag, 8. Mai) tagt das Präsidium des DOSB, und morgen soll es eine Tagung der Landessportbünde geben. Da wird sich vielleicht schon abzeichnen, wie ernst man es mit Good Governance und Compliance-Regeln in der deutschen Sportfamilie nimmt. Und ob die Nachrichten aus NRW ein sportpolitisches Beben auslösen.

Unabhängige Ethik-Kommission soll Vorwürfe  überprüfen

Das DOSB-Präsidium und der Vorstand beschäftigten sich bei der Präsidiumssitzung am Samstag(8.Mai) mit den in einem anonymen Brief  erhobenen  Vorwürfen gegen die Führungsgremien und den Präsidenten Alfons Hörmann. Die beiden Gremien beauftragen die Unabhängige Ethik-Kommission des DOSB die Vorwürfe aufzuklären und zu bewerten, „um darauf aufbauend die notwendigen Konsequenzen  zu ziehen“, heißt es in einer DOSB-Mitteilung. „Parallel dazu werden sich Präsidium und Vorstand in diversen Formaten im offenen, engen Dialog mit den Mitarbeiter*innen mit den Vorwürfen auseinandersetzen und Ansatzpunkte für Veränderungenindentifizieren und umsetzen“, heißt es weiter. Außerdem werden „Mitarbeiter*innen und Mitgliedsorganisationen gebeten, sich mit Hinweisen an die Ethik-Kommission oder die anderen vorhandenen unabhängigen und vertraulichen Beschwerdewege an der Aufklärung zu beteiligen.“

Siehe auch www.Sportschau.de