Überraschender Rücktritt / Ambitioniert für die Nicht-Olympischen Verbände gearbeitet
Berlin, 5. Juni. Der Vizepräsident des Deutschen Olympischen Sportbundes (DOSB) Oliver Stegemann ist zurückgetreten. Der Abgang kam für viele überraschend, für Insider eher nicht – für sie war höchstens der Zeitpunkt irritierend. Doch irgendwie zeichnete sich die Trennung schon länger ab. Im Gespräch schwang immer mal wieder Unzufriedenheit mit. Dabei fing alles so beschwingt an.
Als Oliver Stegemann, seit 2014 Präsident des Deutschen Sportakrobatik Bundes und seit 2018 Vorsitzender der Interessengemeinschaft der Nicht-Olympischen Verbände (NOV), im Dezember 2021 in Weimar zu einem der fünf DOSB-Vizepräsidenten gewählt wurde, jubelten vor allem die NOV. Zum ersten Mal hatten sie einen Vertreter in der DOSB-Spitze, vollzogen also den Wechsel vom Katzentisch an die Präsidententafel, was längst überfällig war.
Nicht die Butter vom Brot
Stegemann, der beruflich für die SPD-Fraktion im Bundestag arbeitet, war mit Schwung in sein neues Amt gestartet. Er wollte sich „nicht die Butter vom Brot nehmen lassen“ und sich dafür einsetzen, dass die NOV vom Kuchen Leistungssportförderung mehr abbekommen würden als bisher. Ambitioniert und eher leise ging er seine Aufgaben an, dachte vieles politisch und über den Tellerrand. Aber je länger er im Amt war, kam er wohl mehr und mehr zu dem Schluss, dass seine Vorstellungen, wie man den deutschen Sport organisieren, moderierend begleiten, kommunizieren und präsentieren müsste, nicht kompatibel sind mit denen des DOSB.
Mit ein paar mageren Zeilen informierte der DOSB nun am Mittwoch ( 5. Juni) erst die Sportfamilie per Mail intern. Und mit derselben Stellungnahme ging man an die Öffentlichkeit. Stegemann habe beschlossen, „im Zuge der gemeinsamen Beratungen und Entwicklungen der vergangenen Wochen dem DOSB-Präsidium nicht mehr anzugehören“. Und weiter: „Das Präsidium kann die Entscheidung von Oliver Stegemann nachvollziehen. Wir danken ihm ausdrücklich für seine geleistete Arbeit und sein großes Engagement“, wird DOSB-Präsident Thomas Weikert zitiert.
Ärger rund um die World Games
Den Entschluss zum Rücktritt beschleunigt oder ausgelöst haben dürfte der Ärger rund um die Vergabe der World Games, die 2029 in Karlsruhe stattfinden werden, und die Stegemann nach Deutschland geholt hatte. Das Chaos um die Vergabe legte vor allem ein weiteres Mal die Defizite des Dachverbandes offen. Die Entscheidung des DOSB, Karlsruhe bei der Bewerbung zu unterstützten, kam für Mitbewerber Hannover offensichtlich völlig überraschend und sorgte für großen Unmut an der Leine, der sogar zu Überlegungen führte, vom DOSB Schadensersatz zu fordern, weil er nicht transparent agiert und falsche Versprechungen gemacht haben soll – die Kommunikation sei „unterirdisch“ gewesen.
Wer das im Hinterkopf und das Statement des DOSB vor sich liegen hat, kann daraus seine eigenen Schlüsse ziehen. Stegemann wurde nun zuletzt tragischerweise Opfer der Fallstricke „Unfähigkeit und Dilettantismus des deutschen Sports“, der es nicht hinbekommt, Dinge im eigenen Interesse voranzubringen.
Und die Skepsis innerhalb des Sports und erst recht in der Öffentlichkeit ist mehr als angebracht, wie große Ambitionen gelingen sollen, etwa sich um Olympische Spiele zu bewerben.