Bundesregierung sucht nicht nur für die Kicker von der Insel Lösung
Berlin, 3.Juni. Na, da hatte man mal etwas erst nicht auf dem Schirm und kommt jetzt bei der Suche nach einer praktikablen Lösung etwas ins Rotieren. Wie erklärt man dem Fußvolk, also BürgerInnen, die ja demnächst auch wählen, warum schon wieder für eine ohnehin privilegierte Gruppe Ausnahmeregeln geschaffen werden? Worum geht es? Um Profifußball. Und die Fußball-Europameisterschaft, die vom 11. Juni bis 11. Juli in zehn europäischen Städten und der asiatischen Stadt Baku ausgetragen wird. 24 Mannschaften sind am Start und gondeln querbeet durch Europa, was in Zeiten ohne Pandemie und im europäischen Sinne sicher eine gute Idee wäre.
Auch wenn einige es nicht glauben wollen – das Covid-Virus grassiert noch immer – nun in mehreren Mutationen – auf dem ganzen Globus. Und es gibt nach wie vor Regeln, die zu beachten sind.
Wie also erklärt nun eine Bundesregierung, dass die Einreisebestimmungen aus dem Virusvariantengebiet Großbritannien, die eine 14-tägige Quarantäne vorschreiben, jetzt für den Profi-Fußball und die EM so nicht gelten sollen? Dass also die Profikicker schon wieder nicht Gleiche unter Gleichen sind, sondern zum wiederholten Mal eine Extrawurst gebraten bekommen?
Der Bundesinnenminister und zuständige Sportminister Horst Seehofer, der ohnehin gerne den Profi-und Spitzensport verhätschelt, sagt natürlich, dass die EM nicht an den Corona-Einreisebeschränkungen scheitern wird. Und begründet das wie folgt: „Die Fußball-Europameisterschaft ist ein sportliches Großereignis, auf das die ganze Welt schaut und für dessen Gelingen Deutschland seinen Teil leisten wird.“ Er betont aber auch, dass die Bundesregierung die Fußball-EM für die Teams so organisieren wird, „dass wir dem Infektionsschutz gerecht werden.“
Ungerechtfertigt
Es gibt viele Kritiker – nicht nur unter Virologen, die die ständige Vorzugsbehandlung des Profi-Spitzensports in der Pandemie für völlig ungerechtfertigt halten – allein schon aus Gleichheitsgründen. Und nun eine weitere Ausnahmeregelung. Der Minister versucht so den Kritikern den Wind aus den Segeln zu nehmen: „Der Profisport hat besondere Schutzkonzepte, das kann man nicht mit einem Wochenendausflug im Sportverein gleichsetzen. Wir haben gute Erfahrungen mit Hygienemaßnahmen in der Fußball-Bundesliga, beim DFB-Pokal und in der Champions League gemacht, übrigens auch in anderen Disziplinen.“
Das sehen etwa AthletInnen, die sich bei Sportereignissen trotz eines viel gepriesenen Hygienekonzepts angesteckt haben, sicher anders als der Minister. Und wenig Verständnis werden die Menschen in Deutschland und Großbritannien haben, dass nun für die Profikicker – und offensichtlich auch für das von der UEFA akkreditierte Umfeld – Sonderregeln geschaffen werden. Denn viele haben über einen langen Zeitraum bis zu einem Jahr ihre Familien in dem anderen Land nicht sehen können.
Der Sprecher des Bundesinnenministeriums, Steve Alter, sah sich am Mittwoch auf der Regierungspressekonferenz genau mit dieser Frage konfrontiert. „Zunächst einmal dient alles, was die Bundesregierung tut, was auch das Bundesinnenministerium tut, dazu, das Infektionsgeschehen im Griff zu halten. Bei jeder einzelnen Vorschrift, die wir seit Beginn der Pandemie hatten, gab es gewisse Ausnahmetatbestände, insbesondere für diejenigen, die im Rahmen ihrer Berufsausübung pendeln müssen“, so Alter. Und weiter: „In diesem Zusammenhang gibt es jetzt die Notwendigkeit auch für die berufliche Ausübung von Profisport – im übrigen nicht nur für die Spieler, sondern auch für sonstige spielkritische Personengruppen. Das kann technisch-organisatorisches Personal sein, betrifft letztlich aber auch akkreditierte Journalisten für die Berichterstattung, die bei einem solchen Großereignis die Möglichkeit haben müssen, vor Ort zu sein. Für diese Personengruppen werden momentan eng begrenzte Anpassungen diskutiert.“ Diese Diskussion zwischen den beteiligten Ministerien dauerte bis Redaktionsschluss noch an.
Mal wieder Extrawurst
Zum Thema Extrawurst für den Profisport seit Beginn der Pandemie ließ sich Alter so ein: „Es gab im Nachgang zu früheren Regelungen für den Profisport aus Bereichen der Kultur, zum Beispiel auch der Kultur, der mit körperlicher Betätigung zu tun hat, Ballett und Bühne, die Forderung und auch Modelle, analog zu den Ausnahmeregelungen damals für diese Bereiche auch Ausnahmeregelungen zu schaffen. Das wurde auch teilweise gemacht.“ Kulturschaffende würden dieser Aussage wohl so nicht zustimmen. Und auch aus dem Breitensport gäbe es da Widerspruch.
Also es ist nun davon auszugehen, dass weder die England-Profis Ilkay Gündogan (Manchester City) sowie Antonio Rüdiger, Kai Havetz und Timo Werner, die beim FC Chelsea spielen, keine Probleme haben werden, im Nationaltrikot in Deutschland aufzulaufen. Und auch beim Viertelfinale am 2. Juli in der Allianz Arena in München werden weder Spieler noch Begleittross draußen bleiben müssen. Auch wenn ein Team eben aus London anreist, wo es im Achtelfinale um den Sieg spielt.
Auch für das Beförderungsverbot, das den Transport von Passagieren aus einem Virusvariantengebiet nach Deutschland untersagt, werden die entscheidenden PolitikerInnen im Auftrag des Sports eine genehme Ausnahmeregelung schaffen. Schließlich geht es rund um die EM nicht nur um ein großes Geschäft, sondern der Gastgeber der EM 2024 ist Deutschland. Und da kann man sich ja nun nicht als Spielverderber erweisen, indem man sich an selbst erlassene Bestimmungen hält.
Zwingendes Interesse
Und mit dem Blick auf den Nachbarn weiß man, warum man von Tu felix Austria spricht. Da hat sich die Bundesregierung in Wien nicht geziert, als es darum ging, die deutschen England-Kicker zur schwarz-rot-goldenen Truppe nach Seefeld ins Trainingslager einreisen zu lassen – ohne Quarantäne. Die Regierung von Sebastian Kurz erklärte, dass Ausnahmen für Einreisende aus Großbritannien dann gewährt würden, „wenn dies im zwingenden Interesse der Republik Österreich liegt.“ Bei der Begründung kommt man dann nicht nur ins historische Grübeln….
Sommer, Sonne, Freiheit – die Inzidenzzahlen sinken weiter– die Pandemie ist für manche nicht nur weit weg, sondern gar nicht mehr da. Sie sind in Partylaune, die sie sich nicht vermiesen lassen von den ewigen Vorsicht-Covid- Mahnern. Und nörgelnden Pessimisten. Wen interessieren also Einreisebestimmungen, wenn endlich der Ball und vor allem der Rubel rollt? Und vielleicht geht ja tatsächlich alles gut.