Implodieren in der Planungsphase

Viele Fragezeichen nach dem Rücktritt des PotAS-Vorsitzenden Bernd Strauß

Berlin , 8.August. Die einen sprechen von einem weiteren Fiasko, andere von der logischen Folge des Chaos rund um die Leistungssportreform: Der Vorsitzende der Kommission für die Potenzialanalyse (PotAS), Bernd Strauß ist zurückgetreten. Für viele, die ihn gut kennen, kam das überraschend. Was also ist in den drei Monaten geschehen, in denen der Professor aus Münster nun im Amt war, dass er das Handtuch warf?

Die Ausgangs-Situation für den Sportpsychologen war nicht gerade rosig: PotAS stieß von Anfang an bei den Verbänden und besonders auch beim Präsidenten des Deutschen Sportbundes (DOSB), Alfons Hörmann, auf Ablehnung. Die Kommission, der neben dem Vorsitzenden vier weitere Mitglieder angehören, hat den Auftrag, Disziplinen und Sportarten nach „objektiven, transparenten und sportfachlichen Bewertungskriterien“ zu untersuchen und zu bewerten. Dass das mit der Methode PotAS funktionieren kann, zweifelten nicht nur Sportexperten an. Strauß, als wissenschaftlicher Methodiker anerkannt, schien aber von dem Experiment PotAS überzeugt.

Und auch davon, dass er Hörmanns Sportdeutschland gut kenne, und auf die Kooperation auf dem gemeinsamen Reform-Weg setzen könnte.

Kein Miteinander

Auf die Frage kurz nach seiner Ernennung, ob er denn wüßte, worauf er sich da eingelassen hat, besonders in Bezug auf die skeptischen Sportfunktionäre, war er noch überzeugt, „dass wir ein Miteinander finden. Wir setzen auf Kooperation mit den Verbänden, weil wir nur miteinander erfolgreich sein können.“ Doch das Miteinander klappte offensichtlich nicht: Querschüsse und Torpedos aus allen Richtungen machten Strauß ebenso zu schaffen und mürbe wie interne Querelen. Dass ständiger Beschuss und Dauerstress nicht unbedingt der Befindlichkeit gut tut und der Körper streikt, ist mehr als verständlich. Auf Anfrage bestätigte das Bundesinnenministerium am Mittwoch: „Aus gesundheitlichen Gründen hat Prof. Dr. Bernd Strauß mit Wirkung vom heutigen Tage seine Aufgabe als Vorsitzender der PotAS-Kommission niedergelegt. Für die bisher geleistete Arbeit beim Aufbau dieses neuen Instrumentes und Kernelementes der Spitzensportförderung des Bundes hat Bundesinnenminister Dr. Thomas de Maizière Herrn Prof. Dr. Strauß seinen Dank und seine Anerkennung ausgesprochen.“

Eingeständnis des Scheiterns

Manche sehen allerdings noch einen anderen Grund, warum Strauß ausgestiegen ist: Sie bewerten es als Schritt eines Wissenschaftlers, der offensichtlich erkennen musste, dass das System die Erwartungen, die man in es hat, nicht erfüllen kann. Der Münsteraner Sportpsychologe, so heißt es, habe festgestellt, dass die Umsetzung „technisch“ nicht möglich sein werde. Oder vielleicht „methodisch“ nicht umsetzbar? Das wäre dann das Eingeständnis des Scheiterns und das Zugeständnis an die Kritiker: Nämlich, dass es ein Ding der Unmöglichkeit ist,mit dem System, das auch vom DOSB gewollt wurde, Medaillen, Erfolge etc. zu prognostizieren.

Denn schon bei den 60 Attributen, die von den Reformmachern bestimmt wurden, um die Förderungswürdigkeit der Sportarten einschätzen zu können, hatte Strauß von Anfang an Bedenken, die sich nach Gesprächen mit Verbänden offensichtlich verstärkten.

Dazu kam auch die Erkenntnis, dass der PotAS-Probleauf mit einigen Verbänden zeitlich nicht zu schaffen ist. „Gründlichkeit vor Schnelligkeit“ war Strauß` Credo. Denn die Kommission steht unter Beobachtung, und jeder Fehler würde ihr hämisch um die Ohren geschlagen. Und auch dem Renommee der wissenschaftlichen Mitglieder täte es nicht gut. Frühestens nach Tokio 2020 könne man das Bewertungssystem für die Sommersportarten einführen. War aber  klar, wenn man das Reformkonzept genau gelesen hat.

Verzögerungen

Die Kommission sollte ja schon zu Beginn des Jahres starten, aber der DOSB hatte Probleme geeignete Kandidaten zu finden. Auch die Einrichtung der Geschäftsstelle in Münster und die Einstellung von Mitarbeitern verzögerte sich. Und bei der Stellenbesetzung gab es immer wieder Stress, weil der DOSB mitreden wollte. Neben diesen Schwierigkeiten soll es auch zu Auseinandersetzungen zwischen Strauß und Mitgliedern des Gremiums gekommen sein.

Was nun wirklich zum Rücktritt führte – es ist wohl eine Mixtur aus allem.

Strauß’ Stellvertreter, der Potsdamer Sportwissenschaftler Urs Granacher, ist nun erst einmal kommissarsicher Leiter, so das BMI auf Nachfrage. Ob er als Vorsitzender zur Verfügung stehen würde? Das bleibt zunächst unbeantwortet. Denn Professor Granacher „ist bis zum Monatsende nicht erreichbar“, so sein  Potsdamer Uni-Sekretariat. Klar ist, dass nun erst einmal sein Stellvertreter in der Kommission, Professor Dirk Büsch, auf seinem Stuhl Platz nimmt. Ob die Kommission in der Zusammensetzung weiterarbeitet, ist auch nicht sicher. Reinhard Wendt, jahrzehntelang Mitarbeiter der Deutschen Reiterlichen Vereinigung und wohnhaft in  Warendorf soll sich u.a. zur Mitarbeit in der Kommission  nur bereiterklärt haben, weil Münster nicht weit von seinem Wohnort entfernt ist.

Viele Fragezeichen

Aber es ist unklar, ob die Geschäftsstelle in Münster bleiben wird, wo sie an der Uni, dem Arbeitgeber von Bernd Strauß, angedockt ist. Darüber, so das BMI, würde noch entschieden.

Ob sich die Vorgehensweise oder inhaltliche Arbeit ändern werden? „Darüber muss die unabhängige Kommission selbst entscheiden“, war die kurze, knappe BMI-Antwort. Viele dicke Fragezeichen also, wie es weitergeht. Und so ist die Kommission erst einmal mit sich selbst beschäftigt.

DOSB-Präsident Alfons Hörmanns Pressesprecherin Ulrike Spitz gab am späten Dienstagabend auf Nachfrage noch eine kurze Stellungnahme des Präsidenten weiter. „Der DOSB hofft, dass in der neuen Aufstellung nun eine kompetente Arbeitsfähigkeit der wichtigen Kommission im Sinne des gemeinsamen Erfolges der Leistungssportreform gesichert werden kann“, ließ er wissen.

Was heißt kompetente Arbeitsfähigkeit? Nachtreten trifft das gesamte Gremium und ist ein sportliches Foul…

Kritik bestätigt

Die Gegner der PotAS-Kommission sehen sich jedenfalls in ihrer Kritik bestätigt. „Dass nun ein Sportwissenschaftler offensichtlich erkannt hat, dass man weder Transparenz herstellen noch Medaillen vorhersagen kann, sagt alles über den Wert dieses Systems“, so ihr Fazit.

In der Verbandslandschaft sorgt die neuerliche Pleite für weitere allgemeine Verunsicherung. Denn was kommt als nächstes, wenn in der Planungsphase nicht nur die Planer, sondern auch das Kernstück der Reform implodieren, das ja den deutschen Leistungssport quasi per Knopfdruck in neue Erfolgshöhen wirbeln sollte. Eine langgediente Mitarbeiterin eines großen Verbandes antwortet trocken auf die Frage, was sie zu den neusten Entwicklungen sagt: „Gehen Sie in Ihr Archiv, lesen Sie nach, was Sie selbst geschrieben haben: Reformen im deutschen Sport – Das ist eine Geschichte des Scheiterns.“ Man muss befürchten, das sie Recht hat…