Professionell abgenabelt

Verein „Athleten Deutschland“ einstimmig aus der Taufe gehoben

Berlin/Köln, 15. Oktober. Nun gibt es ihn also, den Verein „Athleten Deutschland.“ Am Sonntag haben die Athletenvertreter ihn in einer Gründungsversammlung im Rahmen ihrer jährlichen Vollversammlung aus der Taufe gehoben – und zwar einstimmig. Aber er ist kein Verein unter vielen, sondern er bedeutet nicht nur für den deutschen Sport eine Zäsur mit Folgewirkung.

Viel Zuspruch hatten die Athleten schon vorher für ihr Ansinnen, sich mit einem Verein „selbstständig“ zu machen – von Bundesinnenministerum und Verteidigungsministerium über Sporthilfe und Fachverbänden. Aber auch einfach Sportfans versprachen nicht nur in den sozialen Medien Unterstützung. Sympathie allerorten für die SportlerInnen der Republik, die sich nicht zuletzt bei der Umsetzung der umstrittenen Leistungssportreform als Manövriermasse, fühlen mussten und müssen.

Nur die Dachorganisation, der Deutsche Olympische Sportbund (DOSB), zieht ein langes Gesicht, weil ihm die Sache aus dem Ruder lief. Denn man unterschätzte zum wiederholten Mal die Athleten.

45 Gründungsmitglieder

DOSB-Vorstandsvorsitzender Michael Vesper war am Sonntag vor Ort und auch bei der internen Diskussion der AthletensprecherInnen dabei. In den Vereins-Annalen wird stehen, dass der Verein „Athleten Deutschland“ 45 Gründungsmitglieder hatte. Die Interessenvertretung wird ihren Sitz in Köln haben. Was man irgendwie symbolisch einordnen kann: Die AthletInnen sind flügge geworden, suchen die Distanz weit genug weg vom Mutterhaus in Frankfurt, das dann nicht mehr gängeln und reinregieren kann auf dem Weg, den man gehen will. Aber nah genug, um mit dem DOSB gemeinsam als Athletenkommission sachlich und produktiv zusammenzuarbeiten. Und ab jetzt auf Augenhöhe.

Schon in ihrem gemeinsamen Brief an die DOSB-Mitgliedsorganisationen und persönlichen Mitglieder am Donnerstag war die Säuernis von Vesper und seinem Präsidenten Alfons Hörmann über die „Unabhängigkeitserklärung“ der AthletInnen nicht zu überlesen. Und am Sonntag war die Verstimmung immer noch da. „Es ist das gute Recht der Athleten, einen Verein zu gründen, aber wir haben bereits eine gut funktionierende Athletenvertretung, die alle Freiheiten hat. Eine solche Parallelstruktur wirft Fragen auf“, sagte Vesper den Journalisten vor Ort.

Kein Beifall

Gut funktionierende Athletenvertretung? Alle Freiheiten? Mit dieser Einschätzung stehen er und sein Präsident ziemlich alleine in Sportdeutschland da. Sonst hat der DOSB überall sein Ohr – hätte er sich mal bei den Verbänden umgehört, für die Ruderpräsident Siegfried Kaidel spricht. Im Sportinformationdienst hatte der am Freitag gesagt: „Ich unterstütze die Athleten in ihrem Bestreben. Sie stehen im Mittelpunkt, und eine professionelle Aufstellung wird sie in ihrer Arbeit sinnvoll unterstützen.“ Die im DOSB-Brief aufgeworfene Frage der Finanzierung des Athleten-Vereins versetzte den Ruder-Chef nicht in Hektik, sich vielleicht schützend gleich auf die eigene Verbandskasse zu setzen, um bloß eventuell nichts abgeben zu müssen. Er zeigte auch hier Verständnis und Bereitschaft zur Unterstützung. Beifall aus der Otto-Fleck-Schneise von höchster DOSB-Ebene hat er sich damit nicht eingehandelt.

Erleichtert

Nach einem Jahr unermüdlichen Einsatzes und vielen Diskussionen, war Max Hartung, der Vorsitzende der Athletenkommisssion und eine der Antriebsfedern dieser professionellen Abnabelung, erleichtert. „Wir haben einstimmig beschlossen, diesen Weg einzuschlagen“, sagte der Fechter zufrieden.

Erkannt haben die Aktiven schon lange, aber spätestens seit der Diskussion rund um die Dopingvorfälle in Rio, dass man nicht einfach sprachlos daneben stehen kann, wenn ureigene Athleten-Belange von Funktionären öffentlich vertreten werden, deren Meinung nicht mit der eigenen übereinstimmt.

Das war sozusagen der Auslöser für das Unternehmen „Athleten kümmern sich um sich selbst“.

Hartung sagt: „Der Sport wird professioneller und komplizierter. Da reichen ehrenamtliche Strukuren nicht, um richtig dabei zu sein.“

Der Verein wird nun also die operativen Aufgaben der DOSB-Athletenkommission übernehmen, Sprachrohr der SportlerInnen sein. Außerdem sollen Spitzensportler bei Förderungs- oder Versicherungsfragen beraten werden. Natürlich will man auch gegen Doping oder sexualisierte Gewalt kämpfen.

Mit großem Interesse haben viele ausländische SportlerInnen verfolgt, was in Köln passierte. Auch in anderen Ländern gibt es Aktive, die von der Pseudo-Teilhabe an Entscheidungsprozessen die Nase voll haben; Sie wollen in eigener Sache mitreden und mitentscheiden. Auch das Internationale Olympische Komitee (IOC) wird sich über kurz oder lang mit sich verselbstständigenden und selbstbestimmenden Aktiven auseinandersetzen müssen.

Pionierarbeit

Eine Art Pionierarbeit haben die deutschen Athleten nun geleistet. Jetzt sind diejenigen gefordert, die ihnen finanzielle und ideelle Hilfe zugesagt haben: Politik, Sporthilfe, Sponsoren – und die eigenen Verbände. Das gilt es nun genau zu beobachten, denn alle behaupten ja: „Der Athlet steht im Mittelpunkt“ aller Bemühungen.