Auch Golfer in Aufruhr versetzt

Ein Nachruf auf den Kulturhistoriker Heiner Gillmeister

Berlin/Bonn.29. April. Journalisten und Historiker werden auch heute noch immer, wenn sie sich mit Sport beruflich beschäftigen, eher als leichte Unterhalter angesehen. Stellen sie aber das Investigative in den Mittelpunkt ihrer Arbeit,hagelt es nicht selten Kritik aus der Sportlandschaft. Diese Erfahrungen musste auch der Kulturhistoriker und Anglist Heiner Gillmeister machen.. Er revolutionierte die Sportgeschichtsschreibung, indem er anhand der sprachlichen Entwicklung die Ursprünge des modernen Ballsportes zurück bis ins Mittelalter erforschte.

1939 im rheinischen Brühl geboren, promovierte der passionierte Fußballspieler an der Universität zu Bonn zu Geoffrey Chaucer, dem britischen Pendant von Walther von der Vogelweide. Schnell wurde er an selber Stelle am Anglistischen Institut Anfang der 70er Jahre Wissenschaftlicher Mitarbeiter, was er bis zu seinem Ruhestand blieb. Sein Faible für den Sport, dessen Geschichtsschreibung zu diesem Zeitpunkt in den Kinderschuhen steckte, sollte ihn noch international berühmt machen.

Seriosität

Zunächst warf man ihm mangelnde Seriosität vor, als er begann, sich mit der Kulturgeschichte des Tennis zu beschäftigen. Seine Schlagfertigkeit und sein penibles Quellenstudium überzeugten allerdings auch traditionelle Historiker. Nach mehreren Publikationen auf diesem Gebiet legte er sein Meisterstück vor: Die „Kulturgeschichte des Tennis“ wurde in der englischen Fassung zum weltweiten Standardwerk. 1999 wurde das Buch von dem renommierten Choice-Magazin mit einem Award als „Outstandig Academic Title“ gewürdigt.

Kritik hagelte es kurze Zeit später wieder aus der Sportlandschaft wegen seiner Nachforschungen zum Ursprung des Golfspieles. Gillmeister hatte ein Lateinbuch des Niederländers Pieter von Afferden von 1545 entdeckt, in dem ein ganzes Kapitel dem „Colfen“ gewidmet war. Während in Großbritannien Mitte des 16. Jahrhunderts lediglich Belege für eine Art Hockeyspiel existierten, beschrieb Afferden das Ziel des modernen Golfes, nämlich, den Ball mit einem eisernen Schläger in einem Loch zu versenken.

Schotten schockiert

Der Aufschrei in St Andrews, der bis dahin vermeintlichen Geburtsstätte des modernen Golfsports in Schottland, war nicht nur groß, sondern auch empört. Die schottischen Hüter des Golfsports unter den Archivaren nahmen Gillmeisters Entdeckungen als eine Art Fehdehandschuh auf und interpretierten öffentlichkeitswirksam die Quellen. Auch hier gewann Gillmeister den verbalen Schlagabtausch. Die Herausgeber der altehrwürdigen „Encyclopaedia Britannica“ baten nämlich den Deutschen, das Kapitel zum Golf aufgrund seiner Forschung neu zu schreiben. Wenn man bedenkt, dass diese Enzyklopädie der schottischen Aufklärung entstammt, dürfte das Votum pro Gillmeister doppelt bitter für die schottische Seele gewesen sein.

Trotz seines internationalen Sach- und Fachwissens und seinem Renommee blieb Gillmeister stets seiner rheinischen Heimat treu. Von den etwa 150 Veröffentlichungen zur Sportgeschichte, die sein Institut auf der Homepage auflistet, findet sich auch ein Buch zur Geschichte des SC Brühl, dessen Ehrenmitglied er wurde. Kurz nach seinem 82. Geburtstag starb Heiner Gillmeister in seinem Geburtsort am 25. März 2021.

(Gastbeitrag von St.R.)