DOSB mit Schnappatmung

Dachverband empört über Entwurf des Sportfördergesetz vom BMI

Berlin, 1. März. Das Bundesministerium für Inneres und Heimat (BMI), zuständig auch für den deutschen Spitzensport, hat am Freitag dem Deutschen Olympischen Sportbund (DOSB) den Referentenentwurf des langerwarteten „Gesetzes zur Regelung der Förderung des Spitzensportes und Errichtung einer Sportagentur (Sportfördergesetz -SpoFöG)“ vorgelegt…

und damit besonders bei manchen im DOSB Schnappatmung ausgelöst. Nach dem Ärger um den Entwurf des „Entwicklungsplans Sport“ nun also neuer Streit und Empörung. Mit einer für seine Verhältnisse deutlichen Kritik wird DOSB-Präsident Thomas Weikert in einer Pressemitteilung so zitiert: „Das ist wenige Monate vor den Olympischen und Paralympischen Spielen in Paris eine herbe Enttäuschung für die Athlet*innen und für den gesamten organisierten Sport in Deutschland nicht akzeptabel.“

Weiter ist in der Erklärung zu lesen: „In einer ersten Analyse des Entwurfs stellen wir ernüchtert fest, dass das BMI mit diesem Gesetzentwurf nach über zwei Jahren gemeinsamer intensiver Arbeit an einer Reform des Leistungssports und der Spitzensportförderung die bisher vertrauensvolle Zusammenarbeit mit dem organisierten Sport in Frage stellen.“ Mit diesem Entwurf würden nicht nur die Ziele der Leistungssportreform in Frage gestellt, sondern es sei „sogar eine Verschlechterung zum Status quo“ zu erkennen, heißt es weiter. Und auch die Unabhängigkeit der geplanten Sportagentur, die ja am Ende die Fördermittel verteilen soll, sei nicht mehr gegeben.

Freiwillige Leistung

Bisher war die Förderung des Leistungs- und Spitzensports durch den Bund in Deutschland eine „freiwillige Leistung“. Auf diesen Fakt wies der ehemalige Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) gern hin, wenn die finanziellen Forderungen rund um die 2016 von BMI und DOSB angeleierte Reform zur „Neustrukturierung des Leistungssports und der Spitzensportförderung“ und der Streit zwischen seinem Ministerium in Berlin und dem Haus des Sports in Frankfurt/Main wieder mal eskalierten.

Nun also wäre dieser Referentenentwurf, wenn er das Kabinett passiert, zum ersten Mal eine gesetzliche Grundlage für die Förderung des Leistungs- und Spitzensports in Deutschland. Verfahren, Aufgaben, Rechte und Pflichten, Zuständigkeiten wären somit klar geregelt. Als Alternative bietet der Entwurf an, dass „die Förderung des Spitzensports dahingehend reguliert werden“ könnte, „dass ein Sportförderfonds geschaffen und von einer unabhängigen Agentur verwaltet wird.“

Erwartbar

Wer den 52-seitigen Entwurf liest, findet viel Altbekanntes. Einiges war nach dem letzten vorgelegten Leistungssportkonzept-Entwurf erwartbar. Und irgendwie überrascht es dann doch, dass man im DOSB nun unangenehm überrascht ist, was da in dem Gesetzesvorschlag zu lesen ist. Anzeichen, dass da einige, wie der Bundesrechnungshof, genauer hinschauen, weil man nun mal sehen wollte, warum man immer mehr Geld in den Sport buttert, dabei aber immer weniger herauskommt, gab es ja schon länger.

Und im letzten Herbst hätten die roten Lämpchen leuchten müssen, als der Haushaltausschuss plötzlich auf der Matte stand: Das Gremium kritisierte den Entwurf des Leistungssportpapiers damals heftig wegen fehlender parlamentarischer Kontrolle über die Zuteilung von Fördermitteln. Und stoppte die Fördersumme von 300 000 Euro.

Die DOSB-Verantwortlichen dürften ja nun am Freitag deshalb in den Erregungszustand gefallen sein, weil sie feststellen mussten, dass mit diesem Gesetz an vielen Stellen das BMI übernimmt. Die Leistungssportabteilung im DOSB wäre damit obsolet. „Von einer Unabhängigkeit der Agentur kann man angesichts der in diesem Entwurf durch den Bund angelegten Fesseln nicht mehr sprechen“, mäkelt Weikert. Der Unabhängigkeitsbegriff ist im Zusammenhang der Interaktionen von Zuwendungsgeber Bund und Zuwendungsempfängern ohnehin fragwürdig.

Bund entscheidet

Dass die Sportagentur, die als Stiftung des öffentlichen Rechts angelegt ist, nun die Entscheidungszentrale bei den Fördermaßnahmen sein soll, war ja wohl gewollt. Weniger gewollt war, zumindest von Seiten des Sports, dass der Bund im Stiftungsrat, der mit 18 Personen aus Bund, Ländern und DOSB besetzt wird, den Vorsitz übernehmen wird und bei Stimmengleichheit entscheidet. Das sei, so heißt es, zwischen BMI und DOSB anders abgesprochen worden.

Der Gesetzentwurf dürfte vor allem deshalb nun den Widerstandswillen des DOSB geweckt haben, weil er endlich gemerkt hat, dass ihm die Lufthoheit über den Spitzensport abhanden gekommen ist. Aus den Erfahrungen rund um die 2016-er Reform hätte der Sport nicht nur lernen können, sondern auch müssen. Und nicht nur blauäugig agieren sollen und sich vielleicht darauf zu verlassen, dass es noch eine (partei-) politische Schiene gibt, über die man alles regeln könnte. Das funktionierte auch bei den Vorgängern nur bedingt.

Gesetz löst keine Probleme

Naiv wäre es, nun zu glauben, dass dieses Sportfördergesetz alle Probleme des deutschen Spitzenports lösen wird, der seit Jahrzehnten in dem immer gleichen Verhaltensmustern dahin dilettiert. Denn auch die BMI-Verantwortlichen scheinen sich mit ihrer teilweise überholten Sportstrategie ständig zu verheddern: Wenn man Maßnahmen nur umettikettiert, ohne sie mal zu überprüfen oder gar zeitgemäß zu überdenken und überarbeiten, wird auch ein Gesetz nichts ändern. Beispiel: Die „Spitzensportförderung des Bundes erfolgt potenzial- und erfolgsorientiert bei Erhalt einer möglichen Vielfalt“, heißt es im Gesetzentwurf. Stand im Reformpapier 2016 auch so. Was bedeutet „mögliche Vielfalt“? Weiter Gießkannenprinzip bei der Mittelverteilung? Man müsste sich schon mal entscheiden, was man denn will: Medaillen oder Vielfalt in der Spitze.

Im modernen Hochleistungssport, so jedenfalls sagen Experten, wird es dann doch auf die Konzentration auf bestimmte Sportarten hinauslaufen. Konzentration auf den Erfolg wollte man bei der letzten Reform auch. Der Sport traute sich nicht, weil er die Rebellion der Mitgliederorganisationen fürchtete. Und das BMI gab nach: Das ursprüngliche dreiteilige Cluster-System wurde nicht durchgesetzt – die gezielte Förderung nur aussichtsreicher ausgewählter Sportarten war damit Geschichte.

Bis heute ist aber nicht geklärt, ob man einen Spitzensport nur mit Edelmetall versprechenden  Sportarten in der Republik will.

Stützpunktsystem, Kader-Obergrenzen

Konfliktpotential gibt es weiter zu Genüge zwischen DOSB/Sport und BMI. Wie etwa rund um das Stützpunktsystem: („Die Höhe der Förderung bestimmt sich grundsätzlich nach der Nutzung der Einrichtungen von Bundeskaderathletinnen und -athleten“, heißt es im Entwurf. Streitpunkt Bundeskader: Die „Festlegung der maximalen Anzahl der Bundeskader (Obergrenzen) und der sportartübergreifenden Anforderungen für Kaderkriterien der Bundessportfachverbände“ soll unter den Aufgabenbereich der Agentur fallen. Worauf man sich vorher nicht wirklich einigen konnte. Überprüfung von Zielerreichung und Controlling der Bundessportfachverbände sind weitere Agentur-Aufgaben, die einige im Sport schon in der Vergangenheit auf die Palme brachten.

Krach in der Vergangenheit

Dass nun so ein Gesetz vorgelegt wird, hat wohl auch seine Gründe in der jüngeren Vergangenheit: Zwischen BMI und DOSB krachte es unter dem Vorgängerpräsidium immer wieder, weil das jeweilige Rollenverständnis der Protagonisten aus dem BMI und dem DOSB sehr unterschiedlich war. Und offensichtlich immer noch ist – trotz ausgewechselter Mannschaften.

Weder Strukturfragen noch Zuständigkeiten werden mit so einem Gesetz in einem föderalen System wie dem der Bundesrepublik zu lösen sein. Und im Sport schon gar nicht. Man müsse den Sport, wie der Berliner Landessportbundpräsident Thomas Härtel in einem Interview mit „sportspitze.de“ sagte, als eine gesamtgesellschaftspolitische Aufgabe denken. Der vorliegende Gesetzesentwurf bringt die beiden Teams BMI und DOSB da vermutlich nicht überzeugend weiter. Und nicht zusammen. Denn momentan verläßt der DOSB den Platz mit einer Niederlage.