Brauchen wir so etwas wie Brot und Spiele?

Koalitionäre verhandeln auch über den deutschen Sport eher wenig konkret

Berlin, 28. März. Wohin steuert Deutschland? Die Papiere der 16 Arbeitsgemeinschaften im Rahmen der Koalitionsverhandlungen, die nun vorliegen, lassen da schon einiges davon ahnen, wie die Politik der künftigen CDU/CSU und SPD- Regierung aussehen wird. Die AG 10 „Kommunen, Sport und Ehrenamt“ legte einen Text zum Sport vor, der wie ein Sammelsurium anmutet. Da wabert ziemlich viel Unkonkretes. Auch, wenn am Ende das Papier sicher nicht eins zu eins im Koalitionsvertrag landen wird, so fragt man sich dann doch: Ist das die Sportpolitik, die Deutschland jetzt so braucht, ja will? Ein Kommentar.

Fangen wir mal damit an: Macht ein/e StaatsministerIn für Sport im Kanzleramt Sinn? Oder soll Sport als Staatsziel ins Grundgesetz geschrieben werden? Schon da sind sich die Verhandler – und nicht nur sie – uneinig. Es mag für beide Ideen Vor- und Nachteile geben, doch bringen diese Vorschläge allein den deutschen (Spitzen)-Sport nicht auf Vordermann. Der Spitzensport, für den sich der Bund – ohne Verfassungskompetenz – ja zuständig fühlt, dümpelt nun seit Jahrzehnten vor sich hin. Obwohl die Politik ihn mit sehr vielen finanziellen Mitteln unterstützte – es ging immer weiter bergab. Reformversuche scheiterten bisher vor allem am Dachverband, dem Deutschen Olympischen Sportbund (DOSB) und vielen seiner Mitgliedsverbände, die glaubten, am Status Quo festhalten und trotz immer weniger Medaillen immer mehr Geld fordern zu können. Die Politik ließ das mit sich machen.

Und es scheint sich wenig daran zu ändern, was zum Teil wohl auch an den handelnden Akteuren liegt. Jedenfalls kann man vieles in dem Papier so interpretieren, etwa, wenn es um die Finanzierung von Sportgroßveranstaltungen geht. Oder steuerrechtliche Freistellungen oder… Aber es scheint da intern schon einige Fragen zu geben.

Kein inhaltlicher Kontext

„Sport soll Spaß und Lust auf Leistung machen.“ So lautet der erste Satz des AG-Papiers. Der Spaß vergeht dem Leser schnell, wenn er sich mit dem Text näher befasst. Und man ahnt: Da wird wieder eine Chance vertan, den deutschen Sport grundlegend inhaltlich und zukunftsweisend aufzustellen. Man liest bekannte Module aus Sonntagsreden: Einerseits sehr kleinteilig gehalten, anderseits unpräzise formuliert. Alte und neuere Themen werden aufgelistet, ohne irgendwie einen inhaltlichen Kontext herzustellen. Es fehlt ein roter Faden. Von Kreativität, neuen Ideen oder gar einem Ziel, wohin und wie sich denn der staatlich subventionierte deutsche Sport bewegen soll, ganz zu schweigen.

Bekannte Sätze wie „Die Spitzensportförderung benötigt einen Paradigmenwechsel, um Deutschland international wieder wettbewerbsfähig zu machen.“ Oder: „Bestandteil der Reform sollen die Rahmenbedingungen von Athletinnen und Athleten durch verbesserte soziale Absicherung und die Unterstützung der dualen Karriere sowie eine wettbewerbsfähige Struktur der Olympia- und Bundesstützpunkte sein“ tauchen in regelmäßigen Abständen nicht nur in Koalitionsforderungen auf. Resignation, aber auch Ärger macht sich breit, wenn man nun seit ungefähr 40 Jahren immer wieder liest, es müsse eine „Traineroffensive“ geben. Ja, dann macht doch mal endlich!

Irritierend, gerade in Zeiten wie diesen, sind die Ausführungen über die „international erfolgreichen Sportfördergruppen“ von Bundeswehr, Bundespolizei und Zoll, die „als Vorbild dienen“ und ausgebaut werden sollen. Was wollen die Verfasser damit sagen? Oder mit dem Satz, der irgendwie völlig losgelöst im Raum steht: „Frauensport soll sichtbarer werden.“ Wie?!

Immer noch Olympia

Warum, so fragen sich manche, durchaus sportaffine Menschen, will wohl auch die neue Regierung angesichts der internationalen und nationalen Lage noch immer an der „Bewerbung für die Austragung der Olympischen und Paralympischen Spiele“ festhalten? Und „unter Berücksichtigung der Autonomie des Sports befürworten und unterstützen“? Obwohl die Bewerbung doch, dank des dilettantisch agierenden DOSB, so gut wie versemmelt ist? Oder wird etwa die Bewerbung nun Chefsache? Bloß nicht, denkt man an die Einlassungen des potentiellen Kanzlers zum Thema Sport im Wahlkampf. Aber Spaß beiseite: Merz hat sicher schon genug Probleme, um sich auch noch auf Nebenkriegsschauplätze wie den nicht gerade pflegeleichten Sport zu begeben und sich den auch noch ans Bein zu binden.

Oder?

Fußvolk entmachtet

In seiner Satire „Brot und Zirkusspiele“ beschreibt der römische Dichter Juvenal, wie die Kaiser Augustus und später Titus Wahlen nur noch zu Formalitäten erklärten, die Mächtigen das Fußvolk somit entmachteten, um es mit Essen und unterhaltenden Spielen davon abzuhalten, den Regierenden zu sehr auf die Finger zu schauen. Funktionierte damals!

Nun, ganz so einfach wie bei den alten Römern ist es heute nicht. Kritische BürgerInnen lassen sich von Politikern mit Olympiaträumen oder exklusiven Ski-WMs nicht so leicht abspeisen. Sie schauen schon genauer hin, wenn Sportgroßveranstaltungen auf Steuerzahler-Kosten stattfinden, die in schöner Regelmäßigkeit höher werden als angekündigt. Und noch kritischer, wenn Politiker Sparmaßnahmen ankündigen. Da helfen dann auch Brot und Spiele nicht mehr….

Deutschland ist keine Sportnation – trotz ständiger öffentlicher Bekundungen. Aber die Republik könnte eine werden, wenn endlich der Sport vom Kopf auf die Beine gestellt würde. Und da gilt es – und das ist nun eine positive Meldung aus dem Papier – viel Geld in die Hand zu nehmen, um etwa endlich den Sanierungsstau bei Sportstätten und Bädern aufzulösen. Eine Milliarde aus dem Sondervermögen soll es jährlich sein, um gute und motivierende Rahmenbedingungen für alle sportlichen und weniger sportlichen BürgerInnen zu schaffen. Gut angelegtes Geld, wenn man ein Land vom Kleinkind bis zum/zur SeniorIn wieder richtig auf Trab und in Bewegung bringen möchte. Da gibt es für den Bund und die Länder, aber vor allem für den DOSB eine Menge zu tun, um endlich die „Nationale Sport- und Bewegungsstrategie“ auf die Beine zu stellen, die viele Nachbarländer schon längst haben. Und gesellschaftspolitisch wieder eine starke Stimme zu werden, die auch gehört wird. Davon ist allerdings nicht nur der DOSB immer noch weit entfernt.

Auch die Politik. Wie das Vor-Koalitions-Papier zeigt. Aber vielleicht geschieht ja bis zur endgültigen Koalitionsvereinbarung noch ein sportpolitisches Wunder – das Sport-Mirakel von Berlin.