Kein Plan B beim DOSB

Aufgaben- und Effizienzanalyse mit ernüchternden Ergebnissen abgeschlossen

Berlin, 24. Juli. Die „Aufgaben- und Effizienzanalyse“, die Ende Februar im Auftrag des Deutschen Olympischen Sportbundes (DOSB) von der Unternehmensberatung Ernst & Young mit Unterstützung der Kölner Sportakademie unter dem Titel „Anstoß 2016“ in Angriff genommen wurde, liegt nun vor.

Rund 200 Seiten umfasst das Analyse-Werk “Anstoß 2016”, mit dem sich das DOSB-Präsidium in seiner letzten Sitzung schon einmal befasste. Und über das die Mitarbeiter im Haus des Sports in der Frankfurter Otto-Fleck-Schneise vorab in einigen Punkten bei einer Betriebsversammlung vom Präsidenten Alfons Hörmann persönlich informiert und auf härtere Zeiten eingestimmt wurden. Das Gehörte sorgte nicht nur für Ernüchterung, sondern für weitere Unsicherheit bei der Belegschaft.

Zehn Jahre DOSB, aber auch die negativen Olympia-Referenden und vor allem das drohende Strukturdefizit ab 2017 von einer Million Euro, waren Gründe, „einmal jeden Stein umzudrehen und alles auf den Prüfstein zu stellen“ (Hörmann), um zu sehen, wie erfolgreich und zielgerichtet der DOSB eigentlich arbeitet. Oder, wie Vorstandsvorsitzender Michael Vesper es formuliert, „wie gut man aufgestellt ist“.

Überraschungen

Denn das Fusions-Versprechen, dass finanzielle und personelle Kräfte gebündelt, die operativen und Organisationsstrukturen verschlankt würden, erfüllten sich nicht. Was die externen „Untersucher“ offensichtlich am meisten überraschte, war, dass der DOSB überhaupt keine Strategie erkennen lässt, wo er eigentlich hin will. Öffentliche Kritik in diese Richtung wurde vom DOSB immer abgebügelt. Nun liegt sie schriftlich vor – und kommt von Insidern – Mitgliedsorganisationen, Stakeholdern und Partnern. Und sorgt für Depressionen.

Unmut wegen Fragebogen

Die Vorgehensweise und die Art der Befragung lösten bei den Mitgliedsorganisationen neuen Unmut aus. Im Protokoll der Tagung der Spitzenverbände vom 10./11.Juni in Frankfurt ist da unter Top 3 „Bericht und Aussprache“ über Anstoß 2016 folgende Anmerkung des Sprechers der Spitzenverbände Siegfried Kaidel zu lesen: „Diese Initiative des DOSB mit Ernst & Young hat mehr als holprig begonnen. Herr Vesper wird in seinem Bericht darauf eingehen.“ Der beschwichtigte hauptsächlich. Vor allem wurde der an die Mitgliedsorganisationen verschickte Fragebogen heftig kritisiert. Der habe keine Möglichkeit für Anmerkungen oder Gewichtung gelassen und sei „ergebnisorientiert“ angelegt gewesen. Nachfragen bei E&Y seien außerdem „ausweichend“ beantwortet worden. Dennoch kam die Kritik an – in Fokusgruppen oder Interviews konnten die Befragten sie doch noch los werden.

Alarmglocken

Aussagen von Stakeholdern wie folgende, die im Zwischenbericht (der den Sportspitzen vorliegt), festgehalten wurden, zeigen, wie weit die Dachorganisation von ihren Mitgliedern entfernt ist, wie zerrissen der organisierte Sport derzeit ist. Denn ähnliches ist auch aus Mitgliedsorganisationen zu hören.Und sie dürften beim DOSB-Führungspersonal die Alarmglocken ausgelöst haben:

Im Sport herrscht im Moment Orientierungslosigkeit, unter anderem weil der DOSB einseitig auf die Olympiabewerbung gesetzt hat. Einen Plan B hatte der DOSB nicht.“ Oder: „Die Wahrnehmung des DOSB in der Öffentlichkeit ist nicht optimal, da er keine Strategie hat und daher seine Ziele unklar sind“. Und: „Strukturell – strategisch – personell, das sind die Baustellen des DOSB.“

Welche Erwartungen er an die Untersuchung habe, beantwortete der dafür verantwortliche Finanzvorstand Thomas Arnold im Februar mit „ergebnisoffen“. Mit diesen Einschätzungen haben er und seine KollegInnen aber vermutlich nicht gerechnet.

Die nicht vorhandene Strategie des DOSB wird kritisch gesehen. Die aktuelle Struktur und Funktionen werden in Frage gestellt. Die meisten der Befragten wollen, dass der DOSB zwar seine bisherigen Aufgaben weiter wahrnimmt, aber bloß keine neuen dazu kommen. Die Erwartungshaltung, wie die Aufgaben erledigt werden sollen, ist sehr unterschiedlich. Bessere Kommunikation und eine effizientere Aufgabenteilung sind weitere Folgerungen aus der Analyse.

Demonstrative Gelassenheit

Hörmann und Vesper demonstrierten Gelassenheit. Man müsse jetzt erst einmal die Ergebnisse auswerten und analysieren, sagte Hörmann im Deutschlandfunk. Das soll dann nach den Spielen in Rio im September passieren. Aber einige konkrete Ergebnisse gab Hörmann doch preis. Beim Parlamentarischen Abend des Sports in der Brasilianischen Botschaft hatte er schon angekündigt, was DOSB-Pressesprecherin Ulrike Spitz so beantwortet: „Ein erstes Analyseergebnis zur möglichen Reduzierung der DOSB-Kostenstrukturen ist der Verzicht auf Beitragserhöhungen für unsere Mitgliedsorganisationen bis zum Jahr 2020.“ Da man also die Erhöhung der Mitgliedsbeiträge zum momentanen Zeitpunkt nicht durchsetzen kann, muss man im eigenen Haus den Rotstift ansetzen.

DSM zieht um

Sach- und Personaleinsparungen sind angekündigt: „Es wird strukturelle Änderungen geben, die in den nächsten Monaten weiter untersucht werden“, so die DOSB-Antwort. Ein Beispiel für kurzfristige Einsparung: Die Deutsche Sport-Marketing (DSM), die bisher in Frankfurt am teuren Schaumainkai residierte, wird zum Ende des Jahres in die Otto-Fleck-Schneise ziehen. Das war sowieso geplant, „weil man hier eine engere Zusammenarbeit bzw. Anbindung anstrebt“.

Auf Veränderungen müssen sich auch andere DOSB-nahe Institutionen wie die Deutsche Olympische Akademie, die Führungsakademie oder die Deutsche Sportjugend einstellen, lässt der DOSB auf Anfrage wissen.

Nichts beschönigen

Eigentlich sollte die Studie im Juli vorgestellt werden: „Die Ergebnisse umfassen rund 200 Seiten, die jetzt intensiv und gründlich aufgearbeitet werden müssen. Wir werden so bald wie möglich vor allem unsere Mitgliedsorganisationen und Stakeholder in einer Zusammenfassung informieren.“ Dabei versichert Hörmann, dass der Bericht in Gänze auch öffentlich vorgestellt wird, und tritt damit Befürchtungen entgegen, dass man nur ein „aufbereitetes Werk“ zu sehen bekommt. „Was sollen wir da beschönigen? Wir haben nichts zu verbergen.“

Vielleicht doch, lästern böse Zungen. Die würden sich dann gerne mal mit den Gehältern des früheren Direktoriums und jetzigen Vorstands, besonders dessen Vorsitzenden, beschäftigen. Warum? Um herauszufinden, ob es einen Zusammenhang mit den steigenden Personalkosten und der Umstrukturierung gibt. Derzeit, so der Wirtschaftsplan 2016, stehen Personalkosten mit 11.565.000 Euro zu Buche.

Zahlen kennt nur einer

Apropos Zahlen: Auf Anfrage bei der Pressestelle, wie hoch denn nun die Kosten für die Analyse durch Ernst & Young sind, musste diese passen, „weil nur Thomas Arnold die Zahlen kennt“. Und weil er im Urlaub ist. Auf eine Aussage zu diesem Kostenfaktor also muss man ebenso wie auf den offiziellen Endbericht bis nach Rio warten. Arnold gehört nämlich wieder der Olympia-Delegation an. Diesmal mit delikater Aufgabe: Der Finanzvorstand wurde seinem Vorsitzenden und Chef de Mission Michael Vesper vom DOSB-Präsidium als aufmerksamer Begleiter zur Seite gestellt.