Im Haifischbecken Verbandswelt

 

Alfons Hörmann und eine Art Kölner Stunksitzung in der DOSB-Führungsakademie

Berlin, 30. April. Er ist wieder da. Manche wären nach seinem Vortrag auf dem Sportverbändeforum in der Führungsakademie in Köln am Freitag nicht böse gewesen, wenn er weg geblieben wäre. Alfons Hörmann, DOSB-Präsident war einige Wochen gemäß dem Kerkeling-Motto: „Ich bin dann mal weg“ abgetaucht. Er meldete sich zurück – mit einer Breitseite gegen die Verbände.

In vielen Bereichen des Sports geht es uns noch nicht schlecht genug, damit wir den Mut und die Kraft zur Veränderung haben“, kritisierte er laut Sport-Informationsdienst (sid) den Führungsstil deutscher Spitzenfunktionäre, von denen auch welche unter den TeilnehmerInnen saßen. Diese hangelten sich von Verbandstag zu Verbandstag, von Weltmeisterschaft zu Weltmeisterschaft, warteten auf Lösungen von außen, vermieden selbst entscheidende Weichstellungen – und machten weiter wie bisher. Offensichtlich gehe es dem deutschen Sport noch nicht schlecht genug, denn „in echten Krisen“ gebe es „mehr Bereitschaft zu Veränderung als sonst“, meinte Hörmann.

Alarmstufe dunkelrot

Und setzt laut sid noch eins drauf mit der Anmerkung, dass „Alarmstufe dunkelrot hoch zwei“ herrschen müsste, wenn die Verbandsführung nur aus Funktionären der eigenen Sportart bestünde. Hauptaufgabe der Manager „dürfe verdammt noch mal nicht im Bewahren dessen liegen, was wir haben, sondern darin, die Zukunft fortzuschreiben“, wird er weiter zitiert. Vom „Haifischbecken Verbandswelt“ ist die Rede. Er doziert darüber, wie schwierig es ist, einen gewählten und durch Satzung geschützten Ehrenamtler loszuwerden. Eine Kölner Stunksitzung der besonderen Art – nur sind die Originale normalerweise lustiger.

Die Kölner Ausführungen erinnern – zumindest was das Austeilen von Schelte angeht – an die Mitgliederversammlung in Hannover im letzten Jahr, wo vor allem die Politik und die FIFA ihr Fett abbekamen und die Verbände – nach der vorher gerade versemmelten Olympiabewerbung – begeistert den Hörmannschen Rambo-Rundumschlag Seit’ an Seit’ beklatschten.

Kein Beifall

Beifall spendet diesmal keiner. Verwunderung, Verärgerung, Kopfschütteln und Schulterzucken  über Hörmanns Aussagen sind Reaktionen der so Gescholtenen. Siegfried Kaidel, Sprecher der Spitzenverbände, hatte letzte Woche noch zu der gesamten Gemengelage rund um den DOSB und der Spitzensportförderung in einem Gespräch gesagt, „dass es nicht hilfreich ist, strittige Punkte öffentlich zu diskutieren“. Man brauche Ruhe und kühlen Kopf. Aber der Ruderpräsident machte in seiner Eigenschaft als Sprecher auch deutlich, nicht zuletzt in einem Brief an das DOSB-Präsidium, dass die Verbände mit der Informationspolitik und einigen Vorgehensweisen des DOSB im Bezug auf das Reformverfahren nicht glücklich und schon gar nicht zufrieden seien.

Und nun das: Anstatt Ruhe in die Diskussion über den neuen, in der Mache befindlichen „Spitzensport-Kurs“ (den ja offiziell noch niemand kennt, über den aber alle reden) zu bringen, sorgt Hörmann mit seinem Vortrag für neuen Wirbel, fühlt sich aber missverstanden.  Da spricht eben der knallharte Unternehmer, der wirtschaftsgemäßes Management und professionelle Strukturen in einer völlig überforderten filigranen und empfindlichen Vereins- und Verbandswelt umsetzen will. Und nicht der Funktionär, der eigentlich wissen müsste, dass das nicht die richtige Spielwiese für ambitionierte Unternehmensideen ist. Denn damit kann man auf schnellstem Weg die deutsche Sportwelt mit Ansage zerlegen. „Ich kann mir noch nicht erklären, was er konkret damit meint. Wir konzentrieren uns momentan auf Olympia. Wir haben eigentlich genug zu tun“, formuliert Kaidel, laut sid, seine Stellungnahme vorsichtig.

Kopf-los

In Zeiten wie diesen, wo es wirklich genug zu tun gibt, wäre Führungsstärke angesagt, Präsenz. Nicht nur Lästermäuler halten den DOSB in mehrfacher Hinsicht derzeit für Kopf-los: Der Präsident war weg, sich von den Strapazen der Olympiabewerbung und vermutlich der Enttäuschung zu erholen. Verdienter Urlaub sei ihm wie seinem Vorstandsvorsitzenden Michael Vesper gegönnt.

Aber in den letzten Wochen, wo es hinter den Kulissen nicht nur wegen des neuen Spitzensportpapiers gärt, herrschte Funkstille. Aufbruchstimmung, olympische Vorfreude sehen anders aus. Aus dem Haus des Sports, wo sonst jedes unwichtige Detail als Meldung ins Internet gestellt wird, kam kaum eine Mitteilung – geschweige denn eine wichtige. Nicht einmal Reinhard Grindel wurde auf der offiziellen Plattform zur Wahl zum DFB-Präsidenten gratuliert.

Mit sich selbst beschäftigt

Man ist wieder einmal mit sich selbst beschäftigt: Mit dem Umzug zurück von Neu-Isenburg in die neue Zentrale in der Otto-Fleck-Schneise in Frankfurt am Main, die am 20. Mai eingeweiht wird. Oder mit der Vorbereitung für die Feierlichkeiten zum zehnjährigen Bestehen des DOSB am gleichenTag. Oder mit …?

Alfons Hörmann, der, wie Teilnehmer in Köln sagen, gut erholt schien, hat bekanntlich beruflichen Ärger an der Backe, der je nach beteiligter Partei höchst unterschiedlich dargestellt wird. Wurde sich gütlich getrennt oder fristlos gekündigt? Oder ist alles ganz anders?! Im Juni steht ein Gerichtstermin an (siehe Beitrag „Und keiner nimmt Anstoß“), der das ganze klären soll. Aber schon jetzt wären da an den DOSB-Präsidenten Fragen zu Glaubwürdigkeit und Transparenz zu stellen. Viele innerhalb und außerhalb des Sports warten immer noch auf eine Erklärung zu seinem Angebot gegenüber seinem ehemaligen Arbeitgeber, der Hörmann Gruppe, vom Amt des DOSB-Präsidenten zurückzutreten. „Diese Aussage steht nach wie vor unkommentiert im Raum. Was ist denn dieses Amt wert, wenn man es als Verhandlungsmasse einsetzt?“, ärgert sich nicht nur ein Sportvertreter. Und ist sauer auf die „Sportgemeinde“ inklusive sich selbst. „Das schlimmste ist:Wir nehmen sowas einfach hin.“

Sache des DOSB

Das gelte auch für Vespers Vertragsverlängerung bis  zum 31.12. 2017, die am 29. März vom DOSB mitgeteilt wurde „Das stößt nicht bei allen auf ungeteilte Begeisterung“, sagt Kaidel und fügt diplomatisch hinzu: „Aber das ist Sache des DOSB.“ Doch wer ist der DOSB? Doch die Mitgliedsorganisationen!

Und denen (nicht allen!) bescheinigt nun ihr Boss Unfähigkeit. Welche Strategie verfolgt Alfons Hörmann mit seinen Aussagen? Kritik als Motivation für die Mitgliedsorganisationen? Echte Sorge oder einfach nur Vorwärtsverteidigung, um von eigenen Versäumnissen abzulenken? Vielleicht entpuppt sich die Taktik ja als Geniestreich – nur keiner hat’s gemerkt. Denn eigentlich müsste ein Präsident in solchen für den Sport entscheidenden Zeiten dafür sorgen, dass er seine Truppen – also auch die Verbände – hinter sich schart, um zu demonstrieren, dass der DOSB noch eine gesellschaftliche Größe ist, die in Einigkeit Stärke demonstriert und sich auch gegen den Geldgeber Bundesinnenministerium und seine Übernahmeversuche behauptet.

Transparenz

Die Krisen des Sports – Wie kann der Sport seine Glaubwürdigkeit wiedererlangen?“ und „Integrität vorleben“ waren zwei Themen auf diesem Kölner Forum, mit denen sich der DOSB sehr intensiv auseinandersetzen müsste. Wie sagte schon Bundesinnenminister Thomas de Maizière in Hannover: „Der Sport nimmt zu Recht für sich Autonomie in Anspruch. Daraus ergibt sich aber auch die Pflicht, dass er den Regeln der Transparenz und Good Governance entspricht.“

Da hat der eine oder die andere DOSB-FunktionärIn, wie sich zeigt(e), noch Nachholbedarf. „Der DOSB“, so heißt es in dem Flyer für die Kölner Veranstaltung, möchte „Anstoß zur Veränderung geben und mit gutem Beispiel voran gehen – ganz nach dem Motto: Wer nicht mit der Zeit geht, geht mit der Zeit.“ Ein Satz, der im DOSB momentan auch als Menetekel oder Orakel verstanden werden könnte.

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